Mutmaßlicher Terror-Offizier gibt Rätsel auf

Berlin · Die Opposition wirft den Behörden Versagen vor, die SPD sieht in CDU-Ministern ein "Sicherheitsrisiko". Was gedenkt Berlin zu tun?

Berlin Der Fall eines terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten sorgt weiter für politischen Wirbel. Vertreter aller Bundestagsparteien fragen sich, wie es überhaupt zu dessen Doppelleben als Offizier und Flüchtling kommen konnte. Opposition und SPD warfen den zuständigen CDU-Ministern Versagen vor.

Auch drei Tage nach der Festnahme des 28-jährigen Oberleutnants herrschte gestern in Berlin noch allgemeine Fassungslosigkeit über die Umstände des Geschehens. "Eine solche Geschichte kann man gar nicht erfinden. Das sprengt jede Vorstellungskraft", meinte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach gegenüber unserer Redaktion. Der beschuldigte Bundeswehrangehörige war gleichzeitig als Flüchtling registriert und steht im Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Straftat geplant zu haben. Die Behörden gehen von fremdenfeindlichen Motiven aus.
Warum der Fall so lange unentdeckt bleiben konnte, ist auch Bosbach rätselhaft. 2015 und 2016 habe es offenbar eine Vielzahl von Mängeln bei der Bearbeitung von Asylanträgen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gegeben, meinte der CDU-Politiker. Nach bisherigen Ermittlungen hatte sich der Verdächtige Ende Dezember 2015 in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung Gießen fälschlich als syrischer Flüchtling ausgegeben. Den Asylantrag stellte er Anfang Januar 2016 in der Erstaufnahmeeinrichtung im bayerischen Zirndorf.

Das Bundesinnenministerium sieht gleichwohl keine strukturellen Mängel bei den Asylverfahren. Man werde jedoch "jeden Stein umdrehen", um herauszufinden, warum der Offizier einen eingeschränkten Schutzstatus als Flüchtling habe erhalten können. Womöglich seien "etablierte und zwingende Sicherheitsvorkehrungen" nicht befolgt worden.
Laut Bundesverteidigungsministerium hat Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) den Bundeswehr-Generalinspekteur angewiesen, das "militärische Umfeld" des Verdächtigen im Hinblick auf fremdenfeindliche und extremistische Tendenzen zu durchleuchten.

Als Konsequenz verlangte Bosbach auch die nachträgliche Überprüfung aller Asylbescheide. Denn wegen des großen Flüchtlingsansturms im Jahr 2015 sei es "objektiv gar nicht möglich gewesen, jeden einzelnen Antrag so sorgfältig zu prüfen, wie das notwendig wäre". Die gleiche Forderung kam auch von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Dies lehnte das CDU-geführte Bundesinnenministerium jedoch mit dem Hinweis ab, dass es für eine "anlasslose Überprüfung" aller Asylbescheide "keine Rechtsgrundlage" gebe.

Von der Opposition, aber auch den Sozialdemokraten kamen derweil massive Vorwürfe gegen von der Leyen, Innenressortchef Thomas de Maizière (CDU) sowie das Bamf. Beide Minister hätten "ihre Läden nicht im Griff" und seien "ein Sicherheitsrisiko für Deutschland", kritisierte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Nach Einschätzung des Linken-Abgeordneten André Hahn hat das Bamf "sträflich versagt".
Der Grünen-Politiker Omid Nouripour meinte: "Die Bundeswehr hat an vielen Stellen viel zu spät grundsätzlich überprüft." Dort müsse man nun darüber nachdenken, welche Konsequenzen man aus diesem Fall ziehen müsse.
Schon am Tag zuvor waren bei den Grünen Mutmaßungen laut geworden, wonach es sich um ein ganzes Netzwerk innerhalb der Bundeswehr handeln könnte.

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