Nachweislich die Unwahrheit gesagt

TRIER. Die vor einer Woche erfolgte Schließung des Cafés Paulin in Trier zieht Kreise. In einer bemerkenswerten Weise hat der Stadtvorstand mit Oberbürgermeister Helmut Schröer an der Spitze am Dienstag in der "Rathaus-Zeitung" öffentlich zu den TV -Berichten Stellung bezogen - und die Unwahrheit verbreitet.

"Die Schließung des Cafés ist bedauerlich, es hätte nicht soweit kommen müssen", kommentierte OB Schröer. Anschließend wurde den Lesern der "Rathaus-Zeitung" mitgeteilt, es sei "bis zum aktuellen Konflikt nicht aufgefallen", dass 1985 vom Bauherren und Café-Eigentümer Heinrich Kirsch kein gesonderter Antrag einer Nutzung der Räumlichkeiten als Café gestellt worden sei. Dies sei auch deshalb möglich gewesen, "weil es über 15 Jahre lang keine Beschwerden über die Nutzung als Café gab". Zu dem Konflikt sei es "erst durch persönliche Zerwürfnisse der Beteiligten gekommen".Schriftliche Beschwerde vom 17. Oktober 1988

Wie TV -Recherchen belegen, sind letztere Aussagen eindeutig falsch. Dem TV liegt eine schriftliche Beschwerde der Eheleute Franz Czupalla vom 17. Oktober 1988 beim städtischen Ordnungsamt vor, laut Stempel eingegangen bei der Stadtverwaltung am 19. Oktober 1988. In dem vierseitigen Schreiben beklagten sich die Eheleute Czupalla, seinerzeit wohnhaft in der Paulinstraße 99 und damit im gleichen Haus, in dem sich auch das Café Paulin befindet, bitterlich über die Eigentümer und Pächter des Cafés, darunter Heinrich Kirsch, der seit 1994 Stadtratsmitglied der Unabhängigen Bürgervertretung Maximini (UBM) ist. Unter anderem heißt es in dem Brief: "Befasst man sich ferner mit dem Gesamtgebäude eingehender, überkommen einen Bedenken und Zweifel hinsichtlich der Bauzeichnungen (…), und selbst ein Laie fragt sich dann, warum das Bauaufsichtsamt diese Pläne hat so passieren lassen."Eigentümer Kirsch widerspricht energisch

Die Eheleute Czupalla monierten, dass städtische Ämter sich nicht intensiv der Baubeschreibung gewidmet hätten. Sie warfen die Frage auf, ob "auf Grund bestehender Gesetze (…) ein Café eingerichtet und betrieben werden darf". Ferner kritisierte das Ehepaar in dem Schreiben, dass "das so genannte Café keine abgeschlossene Küche und somit auch keine vorschriftsmäßige Entlüftung übers Dach" habe. Dies hätten Ordnungs- und Bauaufsichtsamt am 22. September 1988 bestätigt. Die Czupallas kamen zu dem Ergebnis: "Die Eigentümer dieses Ladens (…) gestatten dem Pächter den gesamten Dunst/Mief dieser provisorischen Küche." Der Beschwerdebrief, dessen Inhalte von Café-Eigentümer Heinrich Kirsch mit Schreiben vom 24. April 1989 an das Bauaufsichtsamt energisch bestritten wurden, zeigt insgesamt eindeutig auf: Die Mängel, die am 3. März dieses Jahres zu einer Verhandlung vor dem städtischen Rechtsausschuss und vor wenigen Tagen zur Schließung des Cafés Paulin führten, waren der Verwaltung seit 16 Jahren bekannt und wurden offensichtlich toleriert.Vorschriften nicht eingehalten

Erst nach weiteren Beschwerden der 83-jährigen Triererin Elisabeth Steilen und ihres Nachbarn Hans Hammes, die unter anderem beim rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten Ulrich Galle intervenierten, wurde seitens der Stadtverwaltung entsprechend reagiert. Nach eingehendem Aktenstudium erließ Frank Simons, seit 1997 Leiter des Bauaufsichtsamtes, eine "Nutzungsuntersagung" für das Café Paulin. Eigentümer Heinrich Kirsch legte Widerspruch ein, den aber der städtische Rechtsausschuss unter Vorsitz von Gabriele Weiland verwarf. In der dem TV vorliegenden Begründung heißt es: "Es muss ein Verstoß gegen formelle und materielle Bestimmungen des öffentlichen Baurechts oder des sonstigen öffentlichen Rechts vorliegen. Dieser Normtatbestand ist vorliegend erfüllt." Weder sei die Nutzungsänderung - statt eines Ladens wurde ein Café betrieben - formell genehmigt, noch seien materiell-rechtliche Vorschriften eingehalten. So entspräche die Be- und Entlüftung sowohl der Gaststättenräume als auch der Küche "nicht dem Stand der Technik". Das sei dazu geeignet, "unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen".Seniorin: Verwaltung hat weg geschaut

Dass der Stadtvorstand öffentlich auf die geschilderte Weise Stellung genommen hat, obwohl er Kenntnis von der Entscheidung des Rechtsausschusses und deren Begründung haben musste, macht Elisabeth Steilen und Hans Hammes fassungslos. "Ich finde es ungeheuerlich, dass der Oberbürgermeister dieser Stadt nachweislich die Unwahrheit sagt", kommentiert die Seniorin. "Das ärgert mich maßlos", ergänzt Hammes. Die Schlussfolgerungen des Stadtvorstandes, es treffe "ins Leere, Mitarbeitern der Verwaltung jetzt Unzulänglichkeiten oder bewusste Versäumnisse anzulasten", macht die Anwohner wütend. "Es ist eindeutig bewiesen, dass die Verwaltung jahrelang weg geschaut und den Café-Eigentümer damit begünstigt hat", sagt Elisabeth Steilen. So habe Heinrich Kirsch unter anderem nicht die für das Betreiben eines Cafés erforderliche Zahl von PKW-Stellplätzen nachgewiesen, "die er vermutlich teuer hätte bezahlen müssen".

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