Nadelstreifen statt Karohemd

TRIER. Ein ernsthafterer Wahlkampf und (fast) keine Kompromisse – so will FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle am 18. September den Sprung in eine schwarz-gelbe Bundesregierung schaffen. 90 Minuten sprach der Parteichef gestern mit TV-Redakteuren und beantwortete Fragen der Volksfreund-Leser.

Nix Guidomobil, auch die 18 auf den Schuhsohlen ist verschwunden. Guido Westerwelle, 43, ist erwachsen geworden. Er verkörpert nicht mehr die Spaßpartei ("Das waren wir nie, wir haben immer ernsthaft Politik gemacht."), gibt sich zumindest im Outfit staatsmännisch: schwarzer Nadelstreifenanzug, schwarze Lackschuhe ("Darunter steht 42 1/2, sonst nichts."), blaues Hemd, orange-graue Krawatte. Kein Vergleich zum Wahlkampf 2002: Leger gekleidet in Karo-Hemd, beigem Sakko und Sportschuhen ist er damals im Moselort Thörnich aus dem knatsch-gelben Guidomobil gesprungen, um Weinköniginnen zu küssen. Der gut gelaunte Westerwelle schmunzelt, wenn er darauf angesprochen wird: "Scheint nicht so verkehrt gewesen zu sein, wenn man heute noch drüber spricht", gesteht aber ein, dass er einen solchen Wahlkampf jetzt nicht mehr führen wird: "Das waren andere Zeiten vor drei Jahren." Nur eins hat sich nicht geändert: Das Wahlprogramm der Liberalen. Heute wie damals lässt es sich auf drei Punkte bringen: "Weniger Steuern, mehr Arbeit, mehr Bildung". Doch dieses Mal hat Westerwelle für seine Steuer-Runter-Parole einen konkreten Angriffspunkt - die Unions-Pläne für höhere Mehrwertsteuern. "Wir werden das verhindern", gibt er sich kämpferisch, das sei ein "glasklares Ziel", dabei gebe es keine Kompromisse, sagt er ohne energisch zu werden oder mit der Faust auf den Tisch zu klopfen. Und ohne die CDU und ihre Kanzlerkandidatin Angela Merkel wirklich anzugreifen. Schließlich sieht er in der Union den einzig möglichen Koalitionspartner. Das Schreckgespenst heißt für ihn nicht Mehrwertsteuererhöhung, sondern ein linkes Regierungsbündnis zwischen SPD, Grünen und Linken - "mit Wowereit als Kanzler" prophezeit er. Im gleichen Tonfall, wie er Kompromisse bei einer Mehrwertsteuererhöhung ablehnt, sagt er denn auch im Hinblick auf die unverkennbaren Unterschiede zum Wahlprogramm der Union, dass die FDP durchaus auch Kompromisse schließen müsse: "Ich kann nicht für jeden einzelnen Programmpunkt einen heiligen Eid schwören, aber es wird in unsere Richtung gehen." Selbst wenn es um Europa geht, kommt der FDP-Vorsitzende immer wieder auf sein Lieblingsthema Steuervereinfachung und -reduzierung zurück, ohne dabei den Faden zu verlieren. Nur einmal überlegt er länger, sucht nach Worten: Wird FDP-Vize Rainer Brüderle Wirtschaftsminister in einer schwarz-gelben Bundesregierung auftauchen? Erst nach dem 18. September werde über Positionen verhandelt, vorher nicht. Auch was seine Person und Rolle in einer Regierung angeht, weicht er aus: "Es wird jeder an der Stelle seinen Beitrag leisten, wo er am meisten zum Aufschwung beitragen kann." Die eher bescheidenen Umfragewerte, die die FDP derzeit zwischen sieben und acht Prozent sehen, beeindrucken ihn nicht. "Das ist doch alles virtuell." Am Ende zähle nur, wie stark die FDP in einer Bundesregierung sei. Nur die SPD, die in der Wählergunst derzeit bei 26 Prozent liegt, müsse die Umfragen schon ernst nehmen.

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