Neues Deutschland: einfacher, schneller, transparenter

BERLIN. Die politischen Entscheidungsprozesse von Bund und Ländern in Deutschland sollen einfacher, schneller und transparenter werden. Mit diesen Zielen ist in Berlin die Föderalismus-Kommission von Bundestag und Bundesrat eingesetzt worden.

Am Freitag war der Tag der großen Reden, und es wurde fast feierlich im Plenum des Bundesrates, als ein Gremium zusammentrat, auf das sich die Hoffnungen der Nation konzentrieren. Was sich so hochgestochen anhört, ist tatsächlich von außergewöhnlicher Wichtigkeit, soll die Föderalismus-Kommission (genau: "Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung") doch nichts weniger leisten, als den havarierten Karren wieder flott zu machen: Das Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden soll neu justiert und die verschwommene Verantwortlichkeit korrigiert werden. "Wir wollen, auch für die Bürger", formulierte es der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel, "die Übersichtlichkeit wieder herstellen". Leisten soll diese "Herkules-Aufgabe" (Bundesrats-Präsident Dieter Althaus) eine exklusive Runde von Politikern aus Bundestag und Bundesrat. Auch die Gemeinden sind vertreten, aber sie sitzen - wie die Vertreter der Bundesregierung und der Landtage - ein bisschen am Katzentisch: Sie dürfen zwar mitreden und Anträge stellen, haben aber kein Stimmrecht. Das ist den 32 Mitgliedern der Kern-Kommission vorbehalten, die sich aus 16 Abgeordneten des Bundestages (acht SPD, sechs CDU/CSU, je ein Grüner und FDP) und den Ministerpräsidenten der Länder zusammen setzt. Auch zwölf Sachverständige sitzen mit am Tisch, allesamt Professoren. In der Zielsetzung sind sich die Parteien einig wie selten zuvor. Es sei schon eine besondere Situation, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering, was man auch daran sehe, "dass wir einer Meinung sind". Das war gemünzt auf den bayerischen Regierungschef Edmund Stoiber, der zuvor "schnelle Entscheidungen" angemahnt hatte, "weil wir sonst zu Verlierern in Europa werden". Müntefering und Stoiber, die von der Versammlung zu den Vorsitzenden der Kommission bestimmt wurden, waren sich einig, dass man "diese große Chance" (eine Verfassungsreform zustande zu bringen) unbedingt nutzen müsse. "Es gibt kein zurück mehr", sagte Müntefering. Die Ziele sind überaus ehrgeizig. Die Kommission soll nämlich: die Zuständigkeit für die Gesetzgebung neu ordnen; den Bundesländern (im Tausch gegen Mitbestimmungsrechte im Bundesrat) mehr Kompetenzen einräumen; die Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen abschaffen oder zumindest drastisch einschränken. Die Länder, beziehungsweise die Ministerpräsidenten, sind sogar bereit, auf Mitwirkungsrechte im Bundesrat zu verzichten - wenn sie dafür im Gegenzug mehr eigene Gesetzgebungszuständigkeiten erhalten. Da der Teufel aber im Detail steckt und niemand gerne freiwillig auf Macht und Einfluss verzichtet, sind zähe Verhandlungen zu erwarten. Immerhin hat man sich im Vorfeld geeinigt, den seit vielen Jahren leidenschaftlich geführten Streit über den Länderfinanzausgleich auszuklammern. Gleichwohl soll dieses Thema, das den Geberländern ein ständiger Dorn im Auge ist, auf der Tagesordnung bleiben. Spannend ist sicherlich die Frage, ob die Kommission den Mut aufbringt, den Paragraphen 84,1 Grundgesetz zu streichen oder zu verändern. In diesen drei Zeilen ist das Verfahrensrecht geregelt, das in seiner Konsequenz mitverantwortlich dafür ist, dass mittlerweile rund 60 Prozent aller Bundesgesetze zustimmungspflichtig sind im Bundesrat. Die aktuellen Mehrheitsverhältnisse (Rot-Grün dominiert im Bundestag, Gelb-Schwarz in der Länderkammer) werfen ein grelles Licht auf dieses Problem. Im Kanzleramt ist man der Meinung, der Paragraph 84,1 sei obsolet, das sage auch die neuere Staatsrechtslehre. Ob die Länder diese Ansicht teilen, ist fraglich. Jedenfalls müssen sich die Mitglieder der Föderalismus-Kommission zusammen raufen, ist für jede Änderung des Grundgesetzes doch eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Bis Mitte nächsten Jahres sollen die Vorschläge auf dem Tisch liegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort