Nicht mehr als Altbekanntes

BERLIN. (has) Einen Tag vor Aufnahme der Vermittlungsgespräche haben die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP von der Regierung massive Änderungen an ihrem Steuerreform- und Arbeitsmarktkonzept verlangt.

Zwischendurch verdrehte Angela Merkel mal kurz die Augen. Mag sein, dass der FDP-Chef Guido Westerwelle der Grund dafür war, weil er just zu diesem Zeitpunkt in einem ausgiebigen Exkurs gegen die Steinkohle-Subventionen meckerte, anstatt einfach nur die gemeinsame Sache zu vertreten. Kann aber auch sein, dass Merkel schon vorher wusste, was am Ende des Oppositionsgipfels von CDU, CSU und FDP herauskommen würde - nicht mehr als Altbekanntes. Und das auch noch in einer Zehn-Punkte-Erklärung zusammengefasst. Dafür spricht, dass die CDU-Vorsitzende gestern keineswegs den Eindruck hinterließ, als ob sie gepackt worden wäre von der Idee, dem Vermittlungsausschuss eine schwarz-gelbe und nicht nur eine schwarze Handschrift aufzudrücken. Edmund Stoiber, der CSU-Chef, wetterte lange gegen die Bundesregierung, die Deutschland zum "Sanierungsfall" gemacht habe. Er sagte erneut "Ja" zum Vorziehen der Steuerreform, aber nicht auf Pump und nicht ohne Strukturreformen am Arbeitsmarkt. Und weil Stoiber quasi im Alleingang alte Positionen vehement wiederholte, signalisierte er indirekt, dass ein Bayer eben keine Schützenhilfe von einem Liberalen braucht. Basta. Bleibt Guido Westerwelle. Dringend benötigt der Oberliberale einen Bedeutungs-Schub, denn seit der Möllemann-Affäre steckt der FDP-Chef in einer Führungskrise. Also kam ihm die Idee des Gipfels. Westerwelle hat außerdem einen Joker im Ärmel - bei der Wahl des Bundespräsidenten im kommenden Jahr ist seine Partei das Zünglein an der Waage, und ein Kandidat der Opposition wird noch gesucht. Alle Beteiligten wussten gestern nur zu gut, dass die Musik vor allem zwischen der Union und der Regierung spielt. Und zwar im Vermittlungsausschuss, wo die FDP allerdings zwei Sitze hat. Heute wird dort erstmals das Vorziehen der Steuerreform auf der Tagesordnung stehen. Offiziell ist die Haltung von Merkel, Stoiber und Westerwelle in dieser Frage unverändert. Gestern gab es aber durchaus auch andere Signale. Friedrich Merz (CDU), schließt inzwischen nicht mehr aus, dass die Union dem Vorziehen zustimmen könnte, wenn die Regierung zu umfassenden Gesprächen mit der Opposition über einen radikalen Umbau der Steuergesetzgebung bereit ist. Selbst die Grünen würden mit "großer Begeisterung" (Christine Scheel) an einem parteiübergreifenden Konzept mitarbeiten. Es bewegt sich also etwas, weil Finanzminister Hans Eichel (SPD) scheinbar zu solchen Verhandlungen bereit ist, sobald das Vermittlungsverfahren beendet ist. Aus dem Gegeneinander von Schwarz-Gelb und Rot-Grün könnte bald vielleicht ein Miteinander werden. Zumindest in der Steuerfrage.

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