Nun zieht auch Südkorea vorbei

BERLIN. Nach Pisa die nächste Ernüchterung: In der neuen Studie "Bildung auf einen Blick" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung belegt Deutschland nur einen mittleren Platz. Ein Problem, dessen Wurzeln schon im Kindergarten zu liegen scheinen.

Bislang war ja immer von den Musterländern Schweden und Finnland die Rede, an denen sich Deutschland in Sachen Bildung ein Beispiel nehmen sollte. Nun muss die Republik ihre Blicke wohl auch in den fernen Osten richten: In den 60er Jahren befand sich Südkorea bei den Bildungsausgaben noch auf dem Niveau des heutigen Afghanistan, jetzt belegt das Land den Spitzenplatz unter den 30 Staaten, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer neuen Studie "Bildung auf einen Blick" auf den Prüfstand gestellt hat. Deutschland, im Bildungsbereich nach wie vor nur Mittelmaß, kann davon nur träumen. "Die Dimensionen der Investitionssteigerungen bei den erfolgreichen OECD-Staaten sind enorm - 30 Prozent mehr, auch bei sinkenden Schülerzahlen", kommentierte der Experte Andreas Schleicher gestern bei der Vorstellung des Berichtes. Deutschland halte hingegen bei den Zuwächsen noch lange nicht mit.Nachholbedarf nach wie vor enorm

Laut Studie stiegen im OECD-Mittel die Nettoausgaben für die Schulen von 1995 bis 2001 um 21 Prozent, für die Hochschulen um 30 Prozent. Hier zu Lande liegt die Steigerungsrate für Schulen aber bei nur sechs und für Hochschulen bei sieben Prozent - macht Platz 15 bei den Bildungsausgaben pro Schüler und Studenten. Keine Glanzleistung. Die Republik hat die Entwicklungen im Bildungsbereich nach Ansicht der OECD schlichtweg verschlafen - vor allem in den 80er und 90er Jahren, in denen laut Schleicher Stillstand geherrscht habe. Zwar sei heute eine Trendwende eingeleitet. "Es passiert viel", sagt der Fachmann, "aber der Nachholbedarf ist enorm". Mehrere OECD-Staaten ernteten jetzt schon mit überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum die Früchte ihrer Qualifikationsanstrengungen der vergangenen zwei Jahrzehnte. Als besonders dramatisch wird von der Organisation empfunden, dass in Deutschland das Fundament der Bildung kräftig bröckelt. Denn die Experten sehen die gravierendsten Defizite im Kindergarten, in der Vor- und Grundschule. So erhalten sieben- bis achtjährige Grundschüler rund 160 Stunden Unterricht weniger im Jahr als im OECD-Mittel (752 Stunden) - und das in größeren Klassen und Gruppen. Die Versäumnisse bei den ersten Bildungserfahrungen haben allerdings weit reichende Konsequenzen für Hochschulen und die Volkswirtschaft: Die Studienanfängerquote eines Jahrgangs in Deutschland liegt immer noch deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 51 Prozent. Aber: 1998 waren es nur 28 Prozent, die an eine Fachhochschule oder Uni gingen. Inzwischen sind es 36 Prozent. In Australien (77 Prozent) und Schweden (75 Prozent) ist die Quote jedoch mehr als doppelt so hoch. Fazit: "Das Qualifikationsniveau in den OECD-Staaten ist seit 1995 dramatisch gestiegen", resümierte Schleicher, Deutschland hinke demgegenüber hinterher.Statt Eigenheimzulage Geld für Bildung

Dabei steige der Bedarf der Wirtschaft an gut ausgebildeten Fachkräften ständig. Und eine hohe Qualifikation werde immer mehr zur Voraussetzung von Wirtschaftswachstum und einen Schutz vor Arbeitslosigkeit. Zum einen hörte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) gestern bei der Vorstellung einiges an Kritik, zum anderen aber durfte sich die Ministerin mitunter durchaus bestätigt fühlen. Denn der Bund sei es gewesen, sagt Bulmahn, der seit 1998 seine Bildungsausgaben um 36 Prozent erhöht habe. Und das von ihr nach heftigen Widerständen aus den Ländern eingeleitete Vier-Milliarden-Euro-Projekt für mehr Ganztagsschulen wird in dem Bericht ausdrücklich gelobt. Bulmahn forderte daher die Länder auf, endlich mitzuziehen. Die Ministerien wusste auch schon wie: Bei der Abschaffung der Eigenheimzulage, wodurch sechs Milliarden Euro in den Bildungsbereich umgeleitet werden sollen.

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