"Nur noch Mittelmaß"

BERLIN. Der sportpolitische Sprecher der Grünen, Winfried Hermann, will die Sportförderung auf neue Füße stellen. Dass deutsche Athleten bei den Olympischen Spielen vielfach nur Mittelmaß seien, zeige, dass die Förderung in Teilbereichen nicht mehr effizient sei, so Hermann im TV -Interview. Der Grüne ist Mitglied des Sportausschusses und derzeit in Athen.

Muss nach den olympischen Spielen über die Sportförderung neu debattiert werden?Hermann: Auf jeden Fall. Pisa lässt grüßen, auch im Sport sind wir nur noch Mittelmaß. Wir belegen nicht mehr den dritten Platz im Medaillenspiegel, was ja immer das Ziel gewesen ist. Deswegen brauchen wir also nach Athen eine ganz nüchterne Analyse, warum wir beispielsweise im Schwimmen, im Turnen und in der Leichtathletik keine Geige mehr spielen. Wie effektiv ist die Sportförderung in Deutschland denn überhaupt noch? Hermann: Insgesamt geben wir zwar viel Geld aus, aber unsere Förderung ist eindeutig in Teilbereichen nicht mehr effizient. Konkret: Was muss besser werden? Hermann: Wir müssen die Sportförderung konzentrieren und einen langfristigen Masterplan erstellen - was wollen wir bis 2008, dann bis 2012 erreichen? Die vier Jahre seit den Spielen von Sydney sind doch verschenkt worden. Nach wie vor gibt es keine systematische Talentsichtung und -förderung, es gibt keine systematische Trainerausbildung und keine langfristigen Perspektiven für Trainerstellen. Wir brauchen außerdem eine Organisationsreform was die Olympia- und Leistungsstützpunkte angeht. Aber auch um eine neue Sportkultur an den Schulen und in der Gesellschaft insgesamt kommen wir nicht umhin. Wenn wir uns in diesen Punkten nicht erheblich anstrengen, werden wir von Olympiade zu Olympiade weiter absacken. Wenn sie die Sportförderung effizienter gestalten wollen, heißt das, Sportler und Funktionäre haben sich auf weniger Geld einzustellen? Hermann: Das heißt es nicht. Aber nicht alles kann weiter gefördert werden wie bisher. Sondern jede Fördermaßnahme muss auf den Prüfstand. Ich finde es nämlich nicht besonders toll, wenn wir uns auf Randsportarten konzentrieren, die zwar Medaillen bringen, aber sonst in der Gesellschaft keine Bedeutung haben. Ich will auch, dass die Großsportarten wieder mehr Stellenwert und Erfolg haben. Aber die Kassen sind leer. Und sie kennen die Finanzminister, die bei Kultur oder Sport zuerst sparen. Hermann: Ich weiß. Aber ein modernes Land braucht eine moderne Sportförderung. Länder, die in diesem Bereich nicht mehr investieren, haben auch keine Zukunft. Wer sich das Niveau anderer Staaten hier in Athen anguckt, wird das schnell einsehen. Die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück sind anderer Meinung. Für sie ist die Sportförderung eine reine Finanzbeihilfe, die abgebaut werden kann. Das geht Ihnen dann also zu weit? Hermann: Das ist ziemlich dummes Zeug. Sportförderung ist eine notwendige, öffentliche Aufgabe. Das gilt für die Förderung des Breiten-, Gesundheits- und Spitzensports. Und dabei muss es bleiben. Das Gespräch führte unser Korrespondent Hagen Strauß.

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