Obamas Faszination geht über Rassengrenzen

Was wäre die schlimmste Erkenntnis für einen US-Südstaatler? Antwort: Gott ist eine Frau - eine schwarze! Dass der im Witz greifende Zynismus einen realen Hintergrund hat, zeigte die Ungewissheit während des Wahltags, ob der Farbige Barack Obama das Rennen machen würde. Ein Blick in die Wahl-Analyse.

Chicago. Es war die Frage aller Fragen am Tag, als Amerika den neuen Präsidenten wählte. Würden die Weißen in den Vereinigten Staaten ihren Beitrag dazu leisten, den ersten Schwarzen in der Geschichte des Landes ins Weiße Haus zu berufen? Oder würde es den gefürchteten "Bradley-Effekt" geben - jenes plötzliche Umschwenken weißer Wähler in dem Augenblick, wo in der Kabine das Kreuzchen auf dem Stimmzettel für einen Kandidaten mit anderer Hautfarbe gemacht werden könnte? Diese Frage ist nun klar beantwortet in einer Nation, in deren Verfassung früher das Recht auf Sklavenhaltung festgeschrieben war und die in einem düsteren Teil ihrer Vergangenheit, wenn sie die Bürger zählte, Schwarzen nur drei Fünftel einer Person zugestand.

Barack Obama erhielt bei seinem historischen Sieg die Zustimmung vieler verschiedener Gruppen: Wähler unter 45 fühlten sich zu ihm ebenso hingezogen wie Frauen, politisch Unabhängige, Latinos und Afro-Amerikaner, die ihn zu über 90 Prozent stützten. Die Stimmenmehrheit der Weißen bekam Obama zwar nicht - keinem Demokraten gelang das seit Lyndon B. Johnson im Jahr 1964. Doch der farbige Kandidat schnitt unter Weißen mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser ab als die letzten drei Präsidentschaftsbewerber der Demokraten. Damit waren auch die Sorgen unbegründet, die noch im Vorwahl-Duell mit Hillary Clinton die Berater Obamas geplagt hatten: Würde die weiße Arbeiterschicht im Mittleren Westen einen Schwarzen akzeptieren? Doch die Wirtschafts- und Finanzkrise sorgte am Ende dafür, dass auch bei dieser demografischen Gruppe die Rassenschranke verschwand. Beispiel Ohio, einer der wichtigen Schlüsselstaaten mit 20 Wahlmänner-Stimmen und von der Rezession schwer getroffen. Obama gewann mit überwältigenden Mehrheiten in Städten, erschloss neue Wähler in den Vororten und raubte Stücke vom republikanischen Kuchen, wo konservative - und weiße - Bürger leben. Mit landesweit 52 Prozent der Stimmen wurde klar, dass Obama jener "Kandidat der Transformation" ist, für den ihn der frühere US-Außenminister und Republikaner Colin Powell hält.

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