Oft bleibt ein "Geschmäckle"

Heftig war sie von den eigenen Parteifreunden für ihre Atomlobby-Tätigkeit kritisiert worden, gestern schoss Margareta Wolf zurück.

Berlin. (has) Die Grünen-Führung habe das "Alleinstellungsmerkmal" der Partei zugunsten des eigenen "Harmoniebedürfnisses" aufgegeben, schrieb die Politikerin Margareta Wolf. Mehr noch: Die Grünen steckten in einer "strategischen Sackgasse", indem sie Kohle und Kernenergie zugleich ablehnten. Ihre Konsequenz: "Ich kann nicht Mitglied in einer Partei sein, deren Spitze sich anmaßt, meine berufliche Tätigkeit zu bewerten und abzuqualifizieren", begründete sie ihren Parteiaustritt.

Raus aus der politischen Mühle, rein in die Unternehmen und Verbände. Wolff gehört zu denen, die den Wechsel in die Wirtschaft geschafft haben, was nicht jedem gelingt. Für beide Seiten ist es ein lukratives Geschäft. Die Unternehmen erwarten sich von den ehemaligen Volksvertretern profitable Kontakte.

Die Politiker indes versilbern sich ihren Lebensabend und fallen nach dem Ausscheiden aus der Politik nicht in die Bedeutungslosigkeit. Wolf muss man zugute halten, dass sie in der Energiepolitik immer schon als Realo galt und ihre Partei meist kritisch begleitet hat.

Wolfgang Clement eigentlich auch. An Ruhestand hat der heute 68-Jährige nach dem Ende seiner Polit-Karriere 2005 nicht gedacht. Stattdessen verdient er nun gutes Geld als mehrfacher Lobbyist und Aufsichtsrat. Unter anderem für den Energieriesen und Kernkraftwerks-Betreiber RWE — kaum verwunderlich also, dass Clement nun gegen den Atomausstieg wettert, was er als Regierungsmitglied nicht durfte. Auffallend oft übrigens scheint es Politiker in die Energiebranche zu ziehen. Auf dem Absprung befindet sich auch Hildegard Müller, Staatsministerin im Kanzleramt und Vertraute von Angela Merkel. Sie hat ein ´´Angebot vom Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft erhalten.

Von Altbundeskanzler Helmut Schmidt heißt es, er habe oft mit seinem Schicksal als Berufspolitiker gehadert. In der Wirtschaft, mutmaßte Schmidt, wäre weniger nervenaufreibend mehr Geld zu verdienen gewesen. Schmidts sozialdemokratischer Kanzler-Nachfolger Gerhard Schröder jedenfalls war da konsequenter: Neben einigen Berater-Verträgen übernahm Schröder nach seiner Kanzlerschaft den Posten als Aufsichtsratschef bei der Betreibergesellschaft der Ostsee-Gaspipeline, dem russischen Konzern Gazprom. Schröders Vorgänger Helmut Kohl übrigens verdiente sich noch als Abgeordneter nach seiner Amtszeit als Kanzler ein dickes Zubrot. Als Berater des Münchner Medienunternehmers Leo Kirch.

Die Liste wechselfreudiger Politiker ist lang. Oft sind solche Übertritte in die Wirtschaft mit einem "Geschmäckle" verbunden. 2006, nach der aufgeregten Debatte über Schröders Russland-Engagement, forderte der Bundestag die Einführung eines Ehrenkodex für Mitglieder der Regierung, für Staatsbeamte und Abgeordnete. Vorbild sollte die EU sein, nach deren Vorgaben die Wirtschaft für EU-Spitzenpolitiker ein Jahr lang tabu ist. In die Tat umgesetzt wurde der Kodex in Deutschland bislang noch nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort