Ohne Doppelkopf

BERLIN. SPD und Grüne wollen ohne Koalitionsaussage in eine vorgezogene Bundestagswahl ziehen. Nach der herben Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen plädierten führende Politiker beider Parteien für einen unabhängigen Wahlkampf.

Das Konzept zum Wahlkampf 2006 lag schon in der Schublade. Mit süffisantem Grinsen hatten es die Genossen jedem erzählt, der es wissen wollte. Zur Bundestagswahl im Herbst 2006 – als dieser Termin noch Gültigkeit hatte – wollten SPD und Grüne wie üblich als unzertrennliche Partner auftreten. "Gemeinsam marschieren, gemeinsam schlagen" hieß die Devise. Zu gut hatte dieses Konzept funktioniert, sowohl beim historischen Wahlsieg 1998 als auch bei dem überraschenden Erfolg im Jahre 2002. Seit an Seit waren Gerhard Schröder und Joschka Fischer angetreten, auf einer riesigen Bühne am Brandenburger Tor. Damit ist es offenbar vorbei: Bei der vorgezogenen Wahl in diesem Herbst wollen die Koalitionäre getrennt marschieren und, so die Hoffnung, trotzdem gemeinsam gewinnen. Die geplante Doppelkopf-Strategie – Schröder/Fischer gegen Merkel/Westerwelle – ist am Montag stiekum zu den Akten gelegt worden. Dabei hatte man schon die Wahlplakate konzipiert, und sich diebisch über den vermeintlichen Coup gefreut, die Konterfeis des Kanzlers und Vizekanzlers gegen die Herausforderer Angela Merkel und Guido Westerwelle zu stellen. Sollte heißen: Wollt Ihr, liebe Wähler, von den beiden international anerkannten Staatsmännern Schröder und Fischer regiert werden? Oder von der "ostdeutschen Protestantin und dem rheinischen Junggesellen", wie CSU-Chef Edmund Stoiber dereinst seine ungeliebten Mitstreiter tituliert hatte? Daraus wird dem Vernehmen nach nun doch nichts. Bündnis atmet den "Hauch der Resignation"

Die Lage ist insbesondere für die SPD so dramatisch geworden, dass die Spitzengenossen Franz Müntefering und Gerhard Schröder mit dem heimlichen Grünen-Chef Joschka Fischer vereinbart haben, diesmal einen anderen Weg zu wählen. Jede Partei soll sich um ihre eigene Klientel kümmern, und versuchen, die potentielle Kundschaft optimal zu mobilisieren. Zu stark ist das Kürzel "Rot-Grün" mit einer Politik belastet, die nach allgemeiner Wahrnehmung als gescheitert gilt. Die Strategen im Brandt-Haus sind der Auffassung, dass ein Wahlkampfmotto mit dem Inhalt "Weiter so" in dieser aufgeheizten Situation nicht unbedingt der Hit sein könnte. Schließlich hat sich das Bündnis nicht mit Ruhm bekleckert, es atmet nach Ansicht des Göttinger Parteienforschers Peter Lösche sogar den "Hauch der Resignation". Hinzu kommen inhaltliche Differenzen, über Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in den vergangenen Jahren phasenweise zu ernsten Verstimmungen geführt haben. Deshalb sagte Schröder jetzt auch in der "Zeit", die SPD wolle vor allem "für die eigene Sache streiten". Jede Seite solle versuchen, das größtmögliche Maß an Wählerstimmen zu gewinnen.

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