"Ohne die SPD wären wir wesentlich kraftvoller"

DRESDEN. Die CDU hat sich im Verlauf ihres Dresdener Parteitags zunehmend selbstbewusst gegenüber ihrem Partner in der großen Koalition artikuliert. Harte Attacken gegen die SPD trug dabei als Gastredner vor allem CSU-Chef Edmund Stoiber vor.

Zufrieden blätterten die engsten Mitarbeiter von Angela Merkel am Dienstagmorgen in den Zeitungen. Sie genossen die Artikel, die allesamt beschrieben, dass die CDU-Chefin aus dem Dresdener Parteitag gestärkt hervorgegangen war. Auch die Delegierten fanden die Geschlossenheit der Partei gut und zeigten neues Selbstbewusstsein. Sie applaudierten am zweiten Tag all jenen, die schärfer als bisher mit dem Koalitionspartner SPD ins Gericht gingen. Allen voran CSU-Chef Edmund Stoiber. Der begann seine Gastrede nicht nur gleich damit, eine Negativbilanz der rot-grünen Vorgängerregierung zu ziehen ("auch wenn es der SPD nicht passt"), er hieb auch auf die aktuellen Positionen des Koalitionspartners ein. "Ohne die SPD könnte die Union eine wesentlich kraftvollere Politik machen", rief er aus und warf den Sozialdemokraten vor, bei vielen Themen "blockiert" zu haben. Als Beispiele nannte er die Videoüberwachung, das Bleiberecht, den Kombilohn, die Energiepolitik und die Türkeifrage. Zweimal griff Stoiber auch SPD-Chef Kurt Beck namentlich an: Wegen des Streits um die Kruzifixe im Landgericht Trier (siehe Seite 2) und bei der Frage des Beitritts der Türkei zur EU, für den sich Beck ausgesprochen hatte. Da gebe es einen "fundamentalen Unterschied zur SPD". Für diese Passagen bekam der CSU-Chef spontanen Beifall, wobei sich Merkel allerdings zurückhielt. Stoiber sprach mit 50 Minuten Dauer nur zehn Minuten kürzer als Tags zuvor die CDU-Chefin. Seine Rede gipfelte in der Feststellung, die Union müsse ihren wertekonservativen Kern behalten und dürfe nicht schwanken. Dazu gehörten das christliche Menschenbild, der Schutz des Lebens, der Zusammenhalt von Heimat und Nation, die soziale Marktwirtschaft und die Vertretung deutscher Interessen. "Bleiben wir unseren Werten treu, dann gewinnen wir das Vertrauen der Menschen." Zuvor hatte schon Unions-Fraktionschef Volker Kauder härtere Töne gegenüber der SPD angeschlagen: "Ich stehe zur Koalitionsvereinbarung, aber wir dürfen auch klar sagen, was wir in einer anderen Koalition machen würden", sagte Kauder und nannte die Fortsetzung der Kernenergie. Mit großer Mehrheit verabschiedete der Parteitag einen familienpolitischen Leitantrag. Darin wird ausdrücklich anerkannt, dass sich der Familienbegriff verändert hat und es neue Formen des Zusammenlebens gibt. Kanzlerin spricht mit SPD über Investivlohn

"Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen." Väter sollten mehr Erziehungsaufgaben übernehmen und die Arbeitswelt "familienbewusst" organisiert sein. Der Kindergartenbesuch solle mittelfristig beitragsfrei sein. Für alle Kinder im Alter von vier Jahren fordert die Union verbindliche Sprachtests und, falls Mängel vorhanden sind, eine "verpflichtende Sprachförderung". Die saarländischen Delegierten setzten sich mit ihrem Initiativantrag durch, die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen gesetzlich vorzuschreiben, um die Vernachlässigung oder Misshandlung von Kindern frühzeitig zu erkennen. Ebenfalls mit großer Mehrheit wurde der Vorschlag verabschiedet, ein Gesetz zur steuerlichen Förderung des Investivlohns anzustreben. Damit soll die Beteiligung der Mitarbeiter am Firmenkapital oder am Gewinn erleichtert werden. Nachdem die SPD bereits grundsätzliche Zustimmung signalisiert hatte, kündigte Angela Merkel in Dresden an, darüber bald Gespräche mit dem Koalitionspartner aufzunehmen.

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