Opposition setzt auf Manipulation

BERLIN. Regierung und Opposition haben am Donnerstag im Bundestag über den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft gestritten. Für die Union forderte ihr Agrarexperte Peter Harry Carstensen, die Forschung und Entwicklung der "grünen Gentechnik” zu forcieren. Damit könne der Kampf gegen den Hunger in der Welt vorangebracht werden.

Bundeskanzler Gerhard Schröder muss in diesen Tagen mit Waschkörben voller Protest-Postkarten rechnen. 150 Verbände von Umweltschützern, Verbrauchern und Lebensmittelerzeugern wollen auf diese Weise 400 000-fach davor warnen, dass Deutschland dem Vorhaben der Europäischen Kommission zustimmt, einen gewissen Grad gentechnischer Veränderung im Saatgut (bis zu 0,7 Prozent) auch ohne Kennzeichnungspflicht zuzulassen. Nun ist zwar die zuständige Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) wahrlich keine Freundin der "grünen Gentechnik”, doch ihre SPD-Kollegen Wolfgang Clement (Wirtschaft) und Edelgard Bulmahn (Forschung) bringen durchaus Verständnis für gentechnisch veränderte Organismen auf. Deshalb gibt es neben dem üblichen Konflikt zwischen Regierung und Opposition auch einen pikanten Streit innerhalb der Koalition über die Haltung der Bundesregierung zur grünen Gentechnologie. Am Donnerstag haben sich im Bundestag aber hauptsächlich SPD und Grüne auf der einen Seite, sowie Union und FDP auf der anderen Seite gezankt. Die Union wollte mit einem Antrag ("Chancen der grünen Gentechnik nutzen”) erreichen, dass die Bundesregierung die entsprechende Forschung fördert, Freilandversuche zu Demonstrationszwecken ermöglicht und sich für eine "gerechte und praktikable” Kennzeichnungslösung einsetzt. Begründet wurde dies vom Meinungsführer Peter Harry Carstensen mit der "Sicherung der Welternährung”, zu der Genfood einen wichtigen Beitrag leisten könne. Außerdem sei die grüne Gentechnik eine "Schlüsseltechnologie der Zukunft”. Künast konterte den Angriff mit der Gewissheit einer gut informierten Ministerin, die weiß, wovon sie redet - und deshalb der grünen Gentechnik nicht über den Weg traut. Diese sei keineswegs, wie von Union und FDP behauptet, die selig machende Lösung des Welt-Ernährungsproblems, meinte Künast. Vielmehr seien neben den kargen Agrar-Erträgen in der Dritten Welt "Wassermangel, Krieg, Korruption und Misswirtschaft” für das Elend der Massen verantwortlich. Die Grünen lehnten jedenfalls, auch wegen der "negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt”, Genfood und jegliche Freilandversuche ab.Spitzenköchen schmeckt Gen-Food nicht

In dieser Konsequenz ist sich Künast indes mit ihren Kabinettskollegen Clement und Bulmahn nicht einig. Dem Vernehmen nach befürchten Clement und Bulmahn Nachteile für die deutsche Forschungslandschaft, sollten die scharfen deutschen Regeln für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht gelockert werden. Künast kann sich dagegen auf den Rückhalt von Umweltschützern, der deutschen Welthungerhilfe und großer Kirchen stützen, die der Gentechnik kritisch gegenüber stehen. Auch die Spitzenköche Europas, die im Verband "Eurotoques” organisiert sind, haben eindeutig Stellung bezogen: "Gentechnik hat in Lebensmitteln nichts zu suchen”, heißt es in einer Erklärung. Weniger streng sehen das Problem sowohl der Deutsche Bauernverband als auch das Bundesamt für Naturschutz. Sie forderten am Donnerstag einen "kontrollierten, räumlich eingeschränkten und transparenten Erprobungsanbau”.

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