Orangene Blüten für Europa

BERLIN. Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko hat Deutschland für die Unterstützung bei der "orangenen Revolution" in seinem Land gedankt und für Erleichterungen im Reiseverkehr geworben. In einer Rede am Mittwoch im Bundestag legte er ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Europa ab.

Viktor Juschtschenko, Held der "orangenen Revolution" in der Ukraine, will sein Land geradewegs Richtung Europa führen. Die Ukraine werde "ein Teil der europäischen Völkerfamilie" werden, davon sei er überzeugt, sagte der seit Januar amtierende Präsident am Mittwoch bei seiner Staatsvisite in Berlin. Bundeskanzler Gerhard Schröder sicherte dem Gast ohne Umschweife die Unterstützung Deutschlands zu. Man werde "hilfreich" dabei mitwirken, die Ukraine an "euroatlantische Strukturen" heran zu führen, sagte Schröder nach einem außergewöhnlich freundschaftlich verlaufenen Gespräch im Kanzleramt. Bislang war die Ukraine für die Deutschen ein eher fremder Nachbar, der unter der Kuratel des "großen Bruders" aus Moskau stand. Dieser einflussreiche Bruder saß auch stets unsichtbar mit am Tisch, als Juschtschenko am Dienstag von Bundespräsident Horst Köhler und am Mittwoch nacheinander von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle empfangen wurde. Deshalb vergaß Juschtschenko auch nicht zu erwähnen, dass die Integration der Ukraine in die EU und in die Nato "nicht gegen die Interessen anderer Staaten gerichtet" sei. Russland bleibe "der ewige strategische Partner" der Ukraine. Das war eine kluge Aussage, die in Moskau wohl mit der gleichen Aufmerksamkeit verfolgt wurde wie in Berlin. Russlands Präsident Wladimir Putin, der den Umbruch in der Ukraine anfangs verhindern wollte, hat sich mit den neuen demokratischen Strukturen in dem Nachbarland abgefunden.Bundestags-Auftritt eine "große Ehre"

Jedenfalls formulierte Juschtschenko das Bestreben der neuen ukrainischen Führung, das Land an den Wohlstand und das wirtschaftliche, soziale und politische Niveau der Europäischen Union heran zu führen. Diese zentrale Botschaft beherrschte auch den Auftritt des Präsidenten im Bundestag, den er als "große Ehre" empfand. Tatsächlich durften bislang nur wenige verdiente Staatsmänner im Parlament reden. Beim Revolutionshelden Juschtschenko hat man eine Ausnahme gemacht, die auch als Anerkennung für seine friedfertige Rolle bei der Neuausrichtung der Ukraine gedacht und auch vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Volker Rühe (CDU), nachdrücklich befördert worden war.30 Minuten lang lobte der Präsident sein Land als zukünftig "starke, gesunde, wohlhabende und demokratische Ukraine, aus deren europäischen Wurzeln die orangenen Blüten sprießen". Er betonte die positive Rolle Deutschlands als "Motor der europäischen Integration". Noch heute symbolisiere der Rest der Berliner Mauer "den Sieg der Freiheit über die Tyrannei".Zugleich versprach Juschtschenko einen konsequenten Modernisierungskurs und eine "ehrliche Politik". Dafür erhielt er stehende Ovationen des (gut besuchten) Hohen Hauses. Seiner Bitte, die Visa-Affäre nicht zum Hemmschuh für einreisewillige Ukrainer zu machen, hatten aber vornehmlich rot-grüne Parlamentarier Beifall gezollt. Bundeskanzler Schröder hatte zuvor "große Sympathie" für die Veränderungen in der Ukraine bekundet und eine "neue Dynamik" der Beziehungen angekündigt. In der Frage eines möglichen EU-Beitritts äußerte sich der Kanzler zurückhaltend, aber nicht ablehnend. Auch der CDU-Außenpolitiker Rühe meinte, bei diesem Thema müsse man "Schritt für Schritt" vorangehen. Ähnlich äußerte sich die CDU-Vorsitzende Merkel. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sah den Besuch Juschtschenkos als "Signal für ein zusammenwachsendes Europa". Am Dienstag hatte bereits Bundespräsident Köhler das Interesse Deutschlands und der EU bekundet, die "neue Zeit" der Ukraine unterstützend zu begleiten.

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