Oskar war's nicht

BERLIN. Der Politikwissenschaftler Wichard Woyke von der Uni Münster empfiehlt der SPD einen gelassenen Umgang mit dem politischen Quertreiber Oskar Lafontaine. Unsere Zeitung fragte nach.

Herr Professor Woyke, der SPD liefen auch im Saarland die Wähler in Scharen davon. Ist die Talsohle für die Genossen jetzt erreicht? Woyke: Das glaube ich nicht. Die Niederlagen werden sich in zwei Wochen bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen fortsetzen. Im Saarland hat die Partei rund ein Drittel ihrer Zustimmung eingebüßt. Das sind Dimensionen, die seit der letzten Bundestagswahl im Trend liegen. In der SPD gibt es immer wieder Stimmen, die einen Kurswechsel bei den ungeliebten Reformen fordern. Wäre das ein Weg, um die Sozialdemokraten aus dem Tief zu holen? Woyke: Natürlich leidet die SPD unter ihren Reformen. Aber es gibt keine wirkliche Alternative. Eine Revidierung ihrer Politik wäre das Eingeständnis, falsch zu liegen. Das kann sich die SPD schon aus staatspolitischen Gründen nicht leisten. Das kostet sicher Macht und Mandate. Aber darauf kann der Kanzler jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Zumal die ersten Reformbemühungen greifen, wie sich zum Beispiel an der Beitragsentwicklung bei den Krankenkassen zeigt. Und mit einem innerparteilichen Aufstand rechnen Sie nicht? Woyke: Sicher werden manche darüber nachdenken. Aber ich gebe solchen Bestrebungen keine Chance. Es gab ein Zeitfenster im Vorjahr, als man ein Mitgliederbegehren einleiten wollte. Doch jetzt ist die Luft raus. Ist die SPD gut beraten, die Wahlniederlage dem Parteirebellen Oskar Lafontaine anzulasten und ihm den Parteiaustritt nah zu legen? Woyke: Sicherlich nicht. Denn Lafontaine gefällt sich doch gerade in der Rolle des Märtyrers. Natürlich ist der Mann für die Partei schwierig, denn ein einfaches Mitglied dürfte fraglos für geringere Verfehlungen aus der SPD entfernt werden. Ich denke, die SPD muss die Sache tiefer hängen. Lafontaine wird viel zu sehr aufgebauscht. Nach den Voten in Brandenburg und Sachsen richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Kommunal- und Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Ist die SPD bundespolitisch tot, wenn auch diese Urnengänge schief gehen? Woyke: Sollte die SPD auch in ihrem Kernland Nordrhein-Westfalen verlieren, wäre es wegen der Machtverhältnisse im Bundesrat unmöglich, noch rot-grüne Mehrheiten zu bekommen. Deshalb muss es aber keine vorgezogenen Neuwahlen geben. Wenn die Reformen positive Ergebnisse zeitigen und die wirtschaftliche Konjunktur an Fahrt gewinnt, dann wird bei Rot-Grün wahrscheinlich das Prinzip Hoffnung überwiegen und nicht die erneute Wahlniederlage. Wie beurteilen Sie das starke Abschneiden der rechtsradikalen NPD? Woyke: Das hat viel mit der geringen Wahlbeteiligung zu tun. Ich glaube, dass es sich um ein zeitweiliges Phänomen handelt, weil den Rechtsradikalen in Deutschland unter anderem eine starke Führungspersönlichkeit fehlt. Das gute Prozentergebnis für die Saar-CDU verdeckt, dass auch ihr viele Wähler den Rücken gekehrt haben. Woran liegt`s? Woyke: Diese Tatsache ist bundespolitisch ein Indiz dafür, dass es der Wähler nicht honoriert, wenn eine Partei einerseits Reformen etwa für den Arbeitsmarkt mitträgt, sich andererseits aber davon distanziert. Das gilt natürlich genau so für die SPD, die jedoch als Regierungspartei sehr viel stärker dafür abgestraft wird als eine Union in der Opposition. Die Bundestagswahl 2006 ist also noch nicht gelaufen? Woyke: Nein, auf keinen Fall. In den verbleibenden zwei Jahren kann noch viel geschehen. Der Ausgang der Wahl hängt von den ökonomischen Daten ab, und nicht zuletzt auch davon, ob CDU-Chefin Angela Merkel 2006 immer noch so fest im Sattel sitzt wie jetzt. Das Interview führte unser Korrespondent Stefan Vetter.

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