Papa hat eine Neue

TRIER. Irgendwann ist es so weit: Die Scheidung liegt längst hinter ihnen, und ein neuer Partner oder eine neue Partnerin tritt in ihr Leben. Noch einmal von vorne anfangen, nicht länger alleine zu bleiben und die Fähigkeit, sich neu zu verlieben und Vertrauen zu einem anderen Menschen aufbauen zu können, ist für viele gescheiterte Eheleute ein großes Glück.

Viele Paare wollen es oft nicht wahrhaben, dass ihre Kinder Probleme damit haben könnten, wenn sie nach der Scheidung ein neues Leben mit einem neuen Partner anfangen. Neue Partnerschaften der Eltern lösen bei Kindern oft auch Angst aus, da sie befürchten, ihren Platz bei der Mutter oder beim Vater zu verlieren. Darum sollten Eltern es langsam angehen, wenn sie die Kinder in die neue Beziehung einbinden wollen. Ein Vater, der sich vor den Kindern wie ein verliebter Gockel aufführt oder eine Mutter, die den neuen Freund nach wenigen Wochen bei sich einziehen lässt, überfordert die Kinder nur. Wenn alle Beteiligten die Phase des kennen Lernens langsam angehen, dann können auch Kinder oft in die neue Lebensgemeinschaft hineinwachsen. Ein Mann erinnert sich: "Wir hatten unter den ewigen Streitereien unserer Eltern gelitten. Wenn Papa hüh sagte, sagte Mama hott. Er meinte grün und sie rot. Für mich und meine Schwester Anja war der Entschluss der Eltern, sich scheiden zu lassen, kein wirkliches Drama. Das wirkliche Drama kam erst später, zumindest für mich", erzählt Matthias. "Vater hatte sich rührend um uns gekümmert. Er wohnte nur wenige Kilometer von uns entfernt, so dass wir, wann immer wir wollten, zu ihm radeln konnten. Mama war das nur recht. Sie blühte sogar richtig auf, nachdem sie geschieden war. Anja ist drei Jahre älter als ich und war lieber mit ihren Freundinnen zusammen. Ich fand das nicht weiter schlimm, denn von diesem Zeitpunkt an hatte ich Papa sogar ganz für mich. Leider nur sehr kurz, denn eines Tages, ich hatte gerade meinen 13. Geburtstag gefeiert, standen überall fremde Sachen in Papas Wohnung herum. Papas neue Flamme war groß und blond, und sie hatte nicht nur ihre Möbel mitgebracht. ‚Das ist Anja und ihr Sohn Kevin', hatte mein Vater mir - ohne Vorwarnung - erklärt. Ich war geschockt und bin einfach ab und davon. Es dauerte lange, bis ich wieder zu Papa fuhr. Er ist heute wieder verheiratet, mit Anja versteht sich. Ihr Sohn Kevin ist eigentlich ganz okay. Vielleicht auch nur, weil er Thomas zu meinem Papa sagt und nicht Papa." Nach einer Scheidung sind es oft die Väter, die schnell wieder eine neue Beziehung eingehen. Kinder könnten die neue Partnerin als Rivalin betrachten. Darum gilt, wenn die Kinder einmal die neue Partnerin kennen, sollte sie nicht bei allen gemeinsamen Unternehmungen dabei sein. Das gilt natürlich auch für Mütter. Für Kinder steht die Elternrolle immer im Vordergrund. Ein neuer Partner kann kein Elternersatz sein. Sie können Vater oder Mutter nicht ersetzen. Möglich ist jedoch, dass sie mit der Zeit für ein Stiefkind zu einer wichtigen Bezugsperson werden können. Aber das braucht Zeit. Maria Graf wurde 1958 in Ollmuth (Kreis Trier-Saarburg) geboren. Seit 1981 lebt sie in der Schweiz, wo sie eine psychologische Beratungspraxis hat. Ihre Meinung zum Thema: familie@volksfreund.de

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