Patienten zahlen drauf

TRIER. "Was bringt die Gesundheitsreform?", fragte der TV Experten. Eindeutiges Urteil: Die große Strukturreform ist ausgeblieben, die Patienten werden belastet.

Was bedeutet die Gesundheitsreform für die Versicherten? Wolfram-Arnim Candidus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP): Statt den versprochenen Beitragssenkungen werden die Beiträge steigen. Wie schon bei den Gesundheitsreformen zuvor. Man traut sich einfach nicht an die Strukturen des Systems heranzugehen aus Angst vor den Krankenkassen, Kliniken, Ärzten und der Pharmaindustrie. Das, was nach über zwölf Monaten Verhandlungen nun herausgekommen ist, ist erbärmlich und für die Patienten frustrierend. Wer wird am meisten belastet? Walter Hirrlinger, Präsident des Sozialverbands Vdk: Patienten, chronisch Kranke und Behinderte werden einseitig über Gebühr belastet. Besonders betroffen sind auch die 20 Millionen Rentner und sieben Millionen Behinderte. Versicherte sind nicht die Lastesel der Reform. Reichen die angekündigten Beitragserhöhungen aus? Walter Bockemühl, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland-Pfalz: Alle Krankenkassen werden im nächsten Jahr ihre Beiträge um mindestens 0,5 Prozentpunkte anheben. Es könnte aber auch mehr sein. Wird durch die Steuerfinanzierung der Kinderversicherung Geld gespart? DGVP-Präsident Candidus: Die komplette Freistellung der Kinder, die 16 Milliarden Euro gekostet hätte, wurde auf die lange Bank geschoben. Daher wird durch das nun beschlossene Modell nicht wirklich Geld gespart. ANNELIESE BODEMAR, LEITERIN DER LANDESVERTRETUNG DER TECHNIKER KRANKENKASSE: Die beitragsfreie Familienversicherung war und sollte immer ein Kennzeichen der solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung sein. Was hat es mit dem Gesundheitsfonds auf sich? AOK-Chef Bockemühl: Das ist ein bürokratisches Monster, weil die Beiträge zentral eingezogen werden sollen. Noch ist unklar, ob die Kassen für alte und kranke Menschen Zusatzbeiträge erheben muss. Kassen, die überwiegend Gesunde versichern, können ihren Mitgliedern sogar noch Prämien erstatten. Alte und Kranke würden also stärker belastet. Werden die Leistungen der Kassen weiter beschnitten? DGVP-Präsident Candidus: Wir haben aus Kostengründen ja bereits jede Menge Leistungsausgrenzungen etwa bei Medikamenten oder bei der häuslichen Pflege. Das wird sich jetzt noch steigern, weil man nur nach den Kosten schielt, ohne an den Strukturen etwas zu ändern. Daher wird es keine echten Qualitätsverbesserungen geben. Werden die Medikamente nun billiger? AOK-Chef Bockemühl: Die Möglichkeit, Medikamentenpreise zwischen Kassen und Apotheken zu vereinbaren, dürfte zu Einsparungen führen. Wichtig wäre aber auch, wenn es einen Katalog mit zu verordnenen Medikamenten geben würde. Das könnte weiteres Geld sparen. Heinz-Günther Wolf, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände: Die Apotheker sollen das volle Risiko von Preisverhandlungen mit den Kassen tragen. Kommen die willkürlich von der Bundesregierung festgelegten 500 Millionen Euro nicht zusammen, zahlen wir den Restbetrag aus eigener Tasche. Was ändert sich bei ärztlichen Behandlungen? AOK-Chef Bockemühl: Die Krankenkassen können Einzelverträge mit Ärztenetzen abschließen. Das führt zu einer preiswerteren und qualitativ hochwertigeren medizinischen Versorgung, dadurch können Kosten gespart werden. Krankenhäuser dürfen künftig hochspezialisierte Behandlungen ambulant durchführen. TK-LANDES-CHEFIN BODEMAR: Die angekündigten Strukturmaßnahmen bringen hoffentlich den Wettbewerb zwischen Kassen und unter den Ärzten in Schwung. Darin liegt die größte Chance der Reform. Wie lange dauert es bis zur nächsten Reform? DGVP-Präsident Candidus: Zwölf bis 18 Monate.

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