Plädoyer für mehr Kindergeld

BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt heute die Vorsitzenden der großen Familienverbände zu einem Meinungsaustausch in Berlin. Mit dabei ist auch der Präsident des Deutschen Familienverbandes, Albin Nees. Er macht sich für eine Anhebung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes stark.

Herr Nees, welches Signal erhoffen Sie sich von dem Treffen mit der Kanzlerin?Nees: Allein schon, dass das Gespräch durch unsere Initiative zu Stande kommt, ist ein gutes Signal. Es zeigt, dass sich die Kanzlerin dem wohl wichtigsten gesellschaftlichen Anliegen in Deutschland persönlich widmet. Was wollen Sie Angela Merkel sagen?Nees: Dass wir uns in der Familienpolitik nicht auf die Frage der Betreuung von Kleinkindern beschränken dürfen, sondern die gesamte Familie sehen müssen. Wir brauchen eine Familienkomponente im gesamten Sozialrecht. Das heißt, auch bei der Gestaltung der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung müssen Eltern mit Kindern besser gestellt werden. Die Familien sollten entsprechend ihrer Leistung finanziell angemessen ausgestattet werden. Nach offiziellen Angaben fließen jährlich 184 Milliarden Euro in die Familienförderung. Wollen Sie noch mehr?Nees: Diese Zahl ist viel zu hoch gegriffen. Das werden wir auch bei der Kanzlerin zur Sprache bringen. So wird zum Beispiel der Posten des Steuerfreibetrags für Kinder mit rund 36 Milliarden Euro angesetzt. In Wahrheit sind es nur zwölf Milliarden, denn bei den restlichen 24 Milliarden Euro handelt es sich um eine Rückzahlung von vorher zu Unrecht erhobenen Steuern. Insofern hat das mit Familienförderung überhaupt nichts zu tun. Die große Koalition streitet über die Finanzierung zusätzlicher Krippenplätze. Woher soll das Geld kommen?Nees: Zunächst einmal: Die von Familienministerin Ursula von der Leyen genannte Zahl von 500 000 zusätzlichen Betreuungsplätzen entspricht dem tatsächlichen Bedarf. Auch die Finanzierung hat sie angedeutet: Eine Bezahlung aus dem allgemeinen Steueraufkommen wäre sicher die beste Lösung. Also keine Finanzierung zu Lasten des Kindergeldes, wie es die SPD anstrebt?Nees: Nein. Familien mit größeren Kindern dürfen nicht herangezogen werden zur Verbesserung der Situation von Familien mit kleineren Kindern. Die Idee der SPD, die zusätzlichen Betreuungskosten durch eine Aussetzung der Kindergelderhöhung aufzufangen, verbietet sich schon deshalb, weil der Steuerfreibetrag für die Kinder nach den verfassungsrichterlichen Vorgaben erhöht werden muss. Wenn dieser Freibetrag steigt, muss automatisch auch das Kindergeld angehoben werden. Kritiker wenden ein, dass Kinder besonders in Problemfamilien kaum etwas von einem höheren Kindergeld haben.Nees: Das ist ein Totschlagsargument, weil es allen Eltern Egoismus unterstellt. In aller Regel haben die Eltern für ihre Kinder das Beste im Sinn. Und sie tun es auch. Sicher gibt es problematische Elternhäuser. Doch dafür ist das Kinder- und Jugendhilfegesetz geschaffen worden. Demnach ist der Staat zum Handeln verpflichtet, wenn Eltern ihre Kinder vernachlässigen. Mit dem Kindergeld hat das überhaupt nichts zu tun. S Das Interview führte unser Korrespondent Stefan Vetter.

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