Politur fürs Image

BERLIN. Das Gerücht, Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer werde sich künftig für Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel ins Zeug legen, kursierte schon seit einigen Wochen im politischen Berlin. Gestern wurde aus der Spekulation Gewissheit.

Heinrich von Pierer, 64-jähriger Ex-Chef von Siemens, wird nach einem Wahlsieg von CDU und CSU die Leitung eines zehnköpfigen Rates für "Innovation und Wachstum" übernehmen und somit wirtschaftspolitischer Chefberater einer Kanzlerin Merkel. Heute wird die CDU-Vorsitzende den angesehenen Top-Manager offiziell präsentieren. Allerdings ist von Pierer auch bei Bundeskanzler Gerhard Schröder stets ein gern gesehener Gast. Nach der Verpflichtung des Steuerexperten Paul Kirchhof ist Merkel mit der prominenten Personalie ein weiterer Coup gelungen. Der einflussreiche Wirtschaftsführer von Pierer war bereits für ihr Kompetenzteam und später für ein Ministeramt im Gespräch. Beides soll er aber abgelehnt haben. Wobei es diesbezüglich auch kritische Stimmen innerhalb der Union gegeben hatte: Eine Berufung von Pierers in Merkels Mannschaft, hieß es, sei öffentlich schwer vermittelbar nach der Kapitalismusdebatte und dem Streit um die Managergehälter. Jetzt wird der Mann mit dem CSU-Parteibuch also Berater - wodurch er seinen Posten als Aufsichtsratschef bei Siemens behalten kann. Von Pierer soll Merkels Image unter den deutschen Unternehmenschefs aufpolieren. Zwar pflegt auch die Kandidatin inzwischen regelmäßigen Kontakt zu einigen Firmengrößen. Doch anders als der "Genosse der Bosse", Gerhard Schröder, fremdelt Angela Merkel nach wie vor mit der Wirtschaft. Von Pierers erste Aufgabe dürfte daher sein, Merkel weitere Türen zu öffnen und ihr das Denken von Unternehmern nahe zu bringen. Der Erwartungsdruck der Führungselite ist groß: Laut einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie aus dem Juli erhoffen sich 61 Prozent der Bosse von der Ostdeutschen eine "echte politische Zäsur". Mit der Berufung von Pierers sendet Merkel jetzt ein klares Signal, wie wichtig ihr die Kontakte zu den Arbeitgebern sind. Schon heute unterhält der Jurist und Volkswirt, der von 1992 bis Anfang dieses Jahres an der Spitze von Deutschlands größtem Elektrokonzern stand, enge Beziehungen zur Politik. Auf den Auslandsreisen von Kanzler Schröder ist von Pierer regelmäßig Gast. Auch sonst kann der Manager gut mit der rot-grünen Regierungsspitze. Seine profunden Kenntnisse der asiatischen Märkte veranlasste die Bundesregierung, ihn zum Beauftragten für Auslandsinvestitionen mit Schwerpunkt Asien/China zu machen. Das Verhältnis zum Kanzler soll sich jedoch getrübt haben nach der von SPD-Chef Franz Müntefering angezettelten Kapitalismusdebatte und der damit verbundenen Kritik an den Spitzenmanagern. Der Rat, dem von Pierer nun nach dem Willen Merkels vorstehen wird, soll eng mit den potenziellen Ministern Annette Schavan (Forschung) und Peter Müller (Wirtschaft und Arbeit) zusammenarbeiten. Und dem Gremium werden nicht mehr als zehn Personen angehören. Damit will die Kandidatin insbesondere einem Vorwurf entgehen: dass sie wie Kanzler Schröder Entscheidungen in Kommissionen verlagert.

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