Profiteur der Krise

Ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant wird der ehemalige Trierer Bischof Reinhard Marx (55) heute in München sein neuestes Buch "Das Kapital" vorstellen. Einen besseren Zeitpunkt hätten sich auch die Werbe-Strategen des Verlags nicht aussuchen können.

 Bischof Reinhard Marx. TV-Foto: F. Vetter

Bischof Reinhard Marx. TV-Foto: F. Vetter

Trier. Als Reinhard Marx Anfang Februar von Trier nach Bayern wechselte, rührte die Buchhandlung neben der Münchener Liebfrauenkirche bereits die Werbetrommel: In Kürze, stand im Schaufenster zu lesen, werde das neue Buch des neuen Erzbischofs erscheinen. Nur vier Wochen später machte der Pattloch-Verlag allerdings einen Rückzieher: Statt wie geplant im Mai werde das Buch erst Anfang November veröffentlicht. Grund: die Fülle der mit seinem neuen Amt als Erzbischof von München und Freising verbundenen Termine und Aufgaben.

Am heutigen Mittwoch ist es endlich so weit, werden der Erzbischof und der Herausgeber das Buch gemeinsam in der Münchner Karmeliterkirche vorstellen. Eines ist dabei gewiss: Der mediale Ansturm wird enorm sein. So kurios es auch klingen mag: Reinhard Marx ist eindeutig ein Profiteur der gegenwärtigen globalen Finanzkrise. Für die Veröffentlichung seiner gut 300 Seiten umfassenden kapitalismuskritischen Streitschrift könnte es gar keinen besseren Zeitpunkt geben.

Sicherheitshalber durfte "Der Spiegel" vorab noch ein dreiseitiges Interview mit dem prominenten Kirchenmann führen; prägnante Auszüge daraus ("Wilde Spekulation ist Sünde") liefen am Wochenende werbeträchtig in allen Nachrichtensendungen. Dabei hätte vermutlich schon der Titel des Buchs - "Das Kapital" - in Verbindung mit dem Namen des Autors gereicht, um Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Nicht die einzige Parallele zwischen dem Münchner Erzbischof und dem Hauptwerk seines berühmten Trierer Namensvetters. "Karl Marx hat vorausgesagt, dass ein primitiver Kapitalismus zur Gefährdung für die Welt werden kann", anerkennt Reinhard Marx und fügt hinzu, dass ein verklärender Marxismus natürlich nicht die Lösung sei: "Wenn wir Marx folgen, wird es eigentlich schlimmer."

Die Kernaussage im Buch des Kirchenmannes Marx lautet: "Ein Kapitalismus ohne Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit hat keine Moral und auch keine Zukunft." Ähnlich hat sich der ehemalige Professor für Christliche Sozialethik auch schon zu seiner Trie-rer Zeit geäußert. "Wir entwickeln uns immer mehr von einer sozialen Marktwirtschaft zu einem Kapitalismus, bei dem nur noch die Rendite zählt und bei dem die Leute honoriert werden, die nur die Kapitalrendite im Auge haben. Eine Fehlentwicklung", meinte Marx vor zwei Jahren im Interview mit unserer Zeitung.

Und ein paar Monate zuvor redete der damalige Trierer Bischof Bankern ins Gewissen, sie sollten langfristig denken und nicht Vertreter kurzfristig zockender Einrichtungen sein. "Das ist auf Dauer nicht tragbar", prophezeite Marx seinerzeit. Er sollte recht behalten.

Reinhard Marx, Das Kapital, Pattloch Verlag München, 19,95 Euro; ab 5. November im Handel.

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