Profiteur des Schweinezyklus

BERLIN. Neue Harmonie auf dem Lande: Die Bauern hoffen nach der Bundestagswahl nun auf Landwirtschaftsminister Seehofer. Ihre wirtschaftliche Lage hat sich verbessert.

Beide begannen ihren neuen Job mit einem Skandal: Renate Künast wurde vor sieben Jahren durch die BSE-Krise ins Amt der Verbraucherschutz- und Agrarministerin gespült; Nachfolger Horst Seehofer, gerade mal zwei Wochen im Amt, muss gleich die düsteren Machenschaften in Sachen Gammelfleisch bewältigen. Im Krisenmanagement stehen sich beide in nichts nach, zupackend war die Grüne, zupackend ist auch der CSU-Mann. Was der Einen jedoch während ihrer Zeit als Ministerin weit gehend fehlte, bekommt der andere jetzt schon im Überfluss: bäuerliche Unterstützung. Das war abzusehen. Wer aus Bayern kommt, so der Glaube, muss ein Herz für Landwirte haben. Anders als die Großstadtpflanze Künast.Laut Forschungsgruppe Wahlen haben bei der Bundestagswahl im September knapp 65 Prozent der Landwirte die Union gewählt. Für die Grünen stimmten lediglich zwei Prozent. Eine deutliche Absage war das an die Politik der Agrarministerin, die sich in der Tat stets mehr dem Verbraucherschutz und den Umweltverbänden verpflichtet fühlte. Hinter den Kulissen, sagen Insider, wird bei den Grünen nun heftig über die Ursachen des miserablen Abschneidens bei den Landwirten debattiert - und über Künasts Rolle dabei. "Schlagwortpolitik und Sachfremde" wird ihr vorgeworfen. Für Horst Seehofer hingegen ist die Ausgangslage erst einmal bestens - hoch sind die Erwartungen, gleichwohl könnte irgendwann auch tief der Fall sein. Nur Lob bekam Seehofer für seine Verhandlungen Ende November zur Reform des europäischen Zuckermarktes in Brüssel. "Eine neue Gesprächskultur, die gut tut und hoffen lässt", habe Einzug gehalten, lobhudelte gestern in Berlin Bauernpräsident Gerd Sonnleitner bei der Vorstellung des Verbandberichtes zur Lage der Landwirtschaft. Gemeint war: Man könne wieder über Inhalte reden. Es herrscht eben ein neuer Schmusekurs zwischen Politik und Agrarlobby. Er werde "alles in die Waagschale werfen", um der Landwirtschaft die Diskriminierung der vergangenen sieben Künast-Jahre zu ersparen, rief der Minister in seiner Regierungserklärung. Das hörte man gerne in den Funktionärsetagen und auf dem Lande. Doch, was der Minister konkret will, ist nach wie vor offen, sieht man mal vom Bürokratieabbau und dem Eins-zu-Eins-Umsetzen von EU-Richtlinien ab. Gestern zeigte sich die neue Harmonie dadurch, dass Sonnleitner mit Blick auf den Fleischskandal das Vorhaben Seehofers für ein Verbraucherinformationsgesetz unterstützte - die Namen schwarzer Schafe in der Lebensmittelbranche können dann künftig veröffentlicht werden. Künasts Pläne dazu hatte der Verband aber immer vehement mit dem Argument abgelehnt, sie seien zu unpräzise.

Die Stimmung unter den Landwirten hat sich ohnehin durch eine wieder entspannte, wirtschaftliche Lage verbessert, wovon ein Minister grundsätzlich nur profitieren kann. So erhöhte sich das durchschnittliche Ergebnis der Haupterwerbsbetriebe im abgelaufenen Wirtschaftsjahr von 25 400 auf 34 600 Euro (Rheinland-Pfalz: 28 600 Euro), bei den Schweinehaltern stieg es von 17 800 auf 61 600 Euro. Was mit dem berühmten Schweinezyklus zu tun hat - sind die Preise niedrig, verringern die Bauern die Zahl der Tiere, und die Preise ziehen an. Werden dann wieder mehr Schweine produziert, sinken die Preise. Das ist so, egal wer im Amt ist, ob Künast oder Seehofer.

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