Protest im Namen von Samson & Co.

BERLIN. Generationen von Kindern sind mit Ernie und Bert, Samson und Tiffy, Graf Zahl und dem Krümelmonster groß geworden. Nun soll ihre Heimat, die Sesamstraße, von NDR in den Kinderkanal verbannt werden. Der Protest folgt auf dem Fuße - besonders aus der Politik.

"Der, die, das. Wer, wie was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm." Die Sesamstraße kennt jedes Kind. Jedes? Von 100 Jungen und Mädchen im Alter zwischen drei und 13 Jahren gucken täglich nur noch fünf bis sieben die Erlebnisse von Ernie, Bert, Samson und Tiffy. Sagt der verantwortliche Norddeutsche Rundfunk (NDR). Macht einen Marktanteil von 3,6 Prozent - miese Quote nennt man das unter Fernsehmachern. Grund genug für sie, die Sendung vom angestammten Platz zu verbannen und in den Kinderkanal abzuschieben. Nur: Für die Politik zählt in diesem Fall alles andere als die Quote. Deswegen ziehen die Volksvertreter gegen den Plan des NDR zu Felde - und das auch noch in einer ganz großen Sesamstraßen-Koalition. 30 Jahre flimmert die deutsche Version der "Sesame Street" inzwischen über die Mattscheibe. Als Ernie und Bert zum ersten Mal ihre spitzfindigen Bemerkungen über Zahlen und Buchstaben machten, und das Krümelmonster nach Keksen brüllte, stritten Pädagogen, Wissenschaftler und Journalisten über das Fernsehen für Kinder. Heute ist unumstritten, die Sesamstraße vermittelt dem Nachwuchs spielerisch die Lust am Lernen. Das soll so bleiben. Wer aber ab dem 4. August Ernies "Chrchrchrchr" hören möchte, der kann sich nur noch morgens um halb acht vor den Fernseher setzen, oder, wenn er einen Kabelanschluss hat, mittags um 12.25 Uhr den Kinderkanal (Kika) anschalten. Denn der NDR nimmt die Sesamstraße um 18 Uhr aus dem Programm, um den Privaten mit einem "ausgeweiteten Informationsangebot" Konkurrenz machen zu können. Das bringt die Politik auf die Palme: "Die Sesamstraße war gut und ist gut und gehört nicht in die Mottenkiste der Öffentlich-Rechtlichen", schimpft Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin der Grünen. Und im Einklang mit der Vorsitzenden der Kinderkommission des Bundestages, Marlene Rupprecht (SPD). Gemeint mit der Mottenkiste ist der Kinderkanal, der den ARD-Sendern jährlich 70 Millionen Euro wert ist. Nun steht das Regierungslager mit seiner Kritik und Sorge um das "rare Gut" im deutschen Fernsehen nicht alleine da - auch Günter Nooke (CDU), medienpolitischer Sprecher der Union, geht mit dem NDR hart ins Gericht: Wer Kinderthemen einfach in den Spartenkanal Kika verbanne, "muss konsequenterweise auch die Bundesliga in den Sportkanal abschieben", meint Nooke. Es könne nicht sein, dass sich die öffentlich-rechtliche Grundversorgung ausschließlich nach dem zahlungskräftigen Publikum richte. Und die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulrike Flach (FDP), findet die Sendezeit im Kika "grottenschlecht, da können noch nicht einmal Kindergartenkinder zugucken." Beim NDR verweist man stur auf den Grundsatz der Staatsferne bei den Programminhalten. Festgestellt hat man, dass der Protest in erster Linie von Erwachsenen kommt, "die damit groß geworden sind und jetzt einen Verlust empfinden". Also ist die Sesamtstraße auch noch psychologisch wertvoll - "chrchrchrchr".

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