Provokationen im Parlament

Mainz · Seit über einem Jahr ist die AfD im rheinland-pfälzischen Landtag vertreten, Umfragen sehen sie auch im Bundestag. Die anderen Parteien müssen ihre Rolle im Umgang mit ihr erst suchen.

Mainz (dpa) Die AfD provoziert gern. In einem Video zum Thema innere Sicherheit sagt der rheinland-pfälzische AfD-Landeschef Uwe Junge vor wenigen Tagen: "Teile Berlins, Duisburgs, Ludwigshafens, Triers und Mainz werden von ausländischen Familienclans kontrolliert. Unsere Polizei ist zunehmend machtlos." Daraufhin konfrontiert ihn der Südwestrundfunk (SWR) im Interview damit, dass die Polizei in Ludwigshafen, Mainz und Trier für die Angaben keine Hinweise habe. Junge antwortet: "Wehret den Anfängen. ... Ich befürchte, dass das so wird." Er nennt es Provokation. SPD-Generalsekretär Daniel Stich spricht dagegen von "Fake News". Seit über einem Jahr ist die AfD im rheinland-pfälzischen Landtag. Schon vor der Landtagswahl 2016 forderte SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer eine Ächtung der AfD und brachte sie gegen sich auf. Seit der Wahl spitzt die Partei in Debatten immer wieder zu, was andere Fraktionen herausfordert. Im Juni 2016 bezeichnet AfD-Fraktionschef Junge die Aufnahme von Flüchtlingen als "massenhaften Import von Analphabeten und Sozialfällen". Im Januar 2017 fordert er eine "Verhaftungswelle" islamistischer Gefährder. Die anderen Parteien mussten erst ausloten, wie sie mit der 14-köpfigen AfD-Fraktion umgehen. Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) betont stets, die AfD habe die gleichen Rechte wie die anderen Fraktionen, bezeichnete die Partei persönlich allerdings im Mai als "richtig gefährlich".
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sitzt im Landtag auf der Regierungsbank nicht weit von den AfD-Abgeordneten. "Man muss immer wieder klar machen, wofür die AfD steht", sagt sie und wirft der Partei vor: "Das doppelte Spiel ist ein falsches Spiel." Nach Dreyers Ansicht reicht es allerdings nicht, die AfD "zu bekämpfen": "Wir müssen auch Themen setzen, und das machen wir in der SPD unter Martin Schulz." Sie glaubt, dass sich die AfD "ein Stück entzaubert" in der Öffentlichkeit, weil es mehr Menschen gebe, die sich mit Populismus auseinandersetzten. Nach Umfrageergebnissen gilt es als möglich, dass die AfD nach der Bundestagswahl in Berlin vertreten ist. Im jüngsten Stern-RTL-Wahltrend kam sie bundesweit auf sieben Prozent. Die AfD beklagt, der Umgang im Landtag in Mainz habe sich seit Jahresbeginn "weiter deutlich verschlechtert". "Es findet keine konstruktive Zusammenarbeit mit der SPD, den Grünen und der FDP statt", sagt Fraktionssprecher Andreas Wondra. "Die SPD hat darüber hinaus beim AfD-Bashing nachgelegt." Die AfD-Fraktion betreibe keine Fundamentalopposition, sondern stimme sinnvollen Anträgen der Ampel-Koalition wie der CDU fallweise zu. Er kritisiert die größte Oppositionspartei unter Julia Klöckner: "Insbesondere die CDU begräbt ihre Glaubwürdigkeit dadurch, dass sie selbst grundkonservative Anträge durch billige Alternativanträge unterläuft."
Die CDU will keine "Koalition in der Opposition" mit der AfD, es kommt aber vor (wie beim Polizeigesetz), dass beide gleich votieren - gegen die Ampel-Koalition. Fraktionschefin Klöckner zeigt sich jedoch "erstaunt und auch erschrocken" über das Menschenbild, von dem die AfD bei ihren Aktivitäten im Parlament geleitet sei. "Es ist oft ein verachtendes, ausgrenzendes, spaltendes", sagt sie. "Auffällig ist, dass es bei der AfD fast nur um Islam und Flüchtlinge geht." Parlamentsarbeit sei breiter, es gebe wenig Konstruktives der AfD etwa bei Bildung und Gesundheit. Sie sagt aber auch: "Sie ist nun einmal gewählt, mit allen Rechten und Pflichten. Das respektieren wir."

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