Prozess um tödlichen Unfall an der Mosel: Beim letzten Wort bricht Angeklagte ihr Schweigen

Trier · Am vorletzten Verhandlungstag eines spektakulären Prozesses am Trierer Landgericht sind längst nicht alle Gerüchte verstummt.

Sarah D. schweigt. Das hat die 36-jährige Morbacherin die fünf vorausgegangenen Verhandlungstage gemacht. Und die Angeklagte schweigt auch am voraussichtlich vorletzten Verhandlungstag. Nur am Ende der Plädoyers ihrer beiden Anwälte, als der Angeklagten von der Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz "das letzte Wort" erteilt wird, sagt sie das, was Angeklagte häufig sagen, wenn sie selbst möglichst nichts Falsches sagen wollen: "Ich schließe mich den Ausführungen meiner Verteidiger an."

Dem Gemurmel von anwesenden Angehörigen der bei dem Unfall vor gut einem Jahr auf der Bundesstraße 53 zwischen Erden und Ürzig ums Leben gekommenen Mitinsassen der Angeklagten ist anzumerken, dass ihnen die Äußerungen der Morbacherin missfallen. "Das wäre besser gewesen", zischt ein Angehöriger während des Plädoyers von Verteidiger Pierre Wolff, als der Anwalt davon spricht, dass seine Mandantin bei dem schlimmen Unfall um ein Haar ja selbst ums Leben gekommen wäre. Ohne einen am Uferrand stehenden Baum wäre der blaue Corsa damals in der Mosel versunken, die ebenfalls schwer verletzte Fahrerin Sarah D. wohl ertrunken. Die 36-Jährige wurde damals gerettet, überlebte, während die beiden Mitinsassen - die Frau war Mutter eines elfjährigen Mädchens - noch am Unfallort starben.

Es war Mord, sagte bis gestern der Staatsanwalt, und stützte seine Anklage unter anderem auf eine Textnachricht , die eine Krankenschwester, die Sarah D. damals behandelte, an eine befreundete Polizistin geschrieben hat. Stell dir mal vor, wir sitzen im Auto, streiten uns, und ich fahre bewusst in den Gegenverkehr, um den Streit zu beenden…., soll darin sinngemäß gestanden haben. Die Nachricht setzte die Ermittlungen gegen die Angeklagte erst in Gang.

Am Montag in der Verhandlung macht die als Zeugin geladene Krankenschwester von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Anklage, so scheint es, bricht in dem Moment wie ein Kartenhaus zusammen. Denn kurz darauf gibt die Vorsitzende Richterin den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung (siehe Infokasten) möglich sei.

Vor den Plädoyers wird noch die psychiatrische Sachverständige Sylvia Leupold gehört. Sie sagt, dass Sarah D. schon lange und regelmäßig Drogen konsumiert, Cannabis, Amphetamine, auch mal Crystal oder Ecstasy. Weil das so ist, lebt der achtjährige Sohn bei ihren Eltern. Die Sachverständige sagt auch, dass bei der 36-Jährigen am Unfalltag noch eine winzige Menge Amphetamin im Blut festgestellt worden sei und nichts für eine Affekttat oder einen erweiterten Suizid spreche.

Aber warum hat sie das Lenkrad dann plötzlich auf gerader Strecke um 60 Grad herumgerissen, wie ein anderer Sachverständiger zuvor geschätzt hat? Gerüchte mit teils irren Erklärungsversuchen gab es in den Wochen und Monaten nach dem Unfall zuhauf. Ein Fakt ist: Es gab eine vier Meter lange Bremsspur, und alle Insassen waren angeschnallt.
Denkbar immerhin, dass will auch der Trierer Staatsanwalt Volker Blindert nicht ausschließen, dass Sarah D. kurz vor dem Crash nur mal kurz umgeschaut und dabei das Lenkrad etwas verrissen hat.

"Wir werden uns das Ganze gut überlegen", hat die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz zum Abschluss des gestrigen Verhandlungstages gesagt. Das Ergebnis wird sie am nächsten Montagvormittag verkünden.Extra: WAS VERSTEHT MAN UNTER FAHRLÄSSIGER TÖTUNG?

(red) Im Paragraph 222 im Strafgesetzbuch (StGB) heißt es: "Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), Artikel 276, ist weiterhin erläutert: "Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt." Um dem Täter eine fahrlässige Tötung nachweisen zu können, muss dieser die Tat offensichtlich nicht vorsätzlich begangen haben und eine direkte Kausalität zwischen dem Tod des Unfallopfers und dem fahrlässigen Verhalten des Autofahrers vorliegen. Bei einem Autounfall mit Todesfolge ist das Strafmaß darüberhinaus auch davon abhängig, welchen Hintergrund der Täter hat und welche Umstände es bei dem Unfall gab: Ist der Unfallfahrer schon mehrfach im Straßenverkehr negativ aufgefallen? Oder: Aus welchem Grund lag eine Fahrlässigkeit vor?

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