Radikaler Kurswechsel in der Sozialpolitik

BERLIN. Trotz einer Flut von Änderungsanträgen rechnet die CDU-Führung auf dem Bundesparteitag mit einer klaren Bestätigung ihres radikalen Reformkurses in der Sozialpolitik.

Mit 1000 Änderungsanträgen wollen die 1000 Delegierten auf dem CDU-Parteitag kommende Woche in Leipzig erreichen, dass der radikale Kurswechsel der Partei in der Sozialpolitik abgemildert wird. Trotzdem sieht die CDU-Vorsitzende Angela Merkel keinerlei Anzeichen dafür, dass diese hohe Zahl ein Indiz für die Ablehnung des so genannten Herzog-Konzepts sein könnte. Die Änderungswünsche seien vielmehr Ausdruck einer lebendigen Partei, die intensiv an der Gestaltung der Zukunft mitarbeiten wolle. Merkel ist guten Mutes, den "Zukunftsparteitag" am Montag und Dienstag erfolgreich über die Bühne zu bringen.Partei soll Herzog-Modell absegnen

Sie selbst ist gespannt auf den Konvent, der als "anspruchsvoll-ster seit langem" in die Geschichte der Partei eingehen soll. Schließlich wolle man neue Wege beschreiten und "Abschied nehmen von den sozialen Sicherungssystemen der Bonner Republik". Tatsächlich mutet Merkel ihren Parteifreunden einiges zu: Sie sollen dem so genannten Herzog-Modell ihren Segen geben und die "Gesundheitsprämie" (früher: Kopfpauschale) ins Programm schreiben, um dereinst die Krankenkassenbeiträge vom Faktor Arbeit abzukoppeln. Merkel verspricht sich davon eine deutliche Entlastung der Wirtschaft und somit Impulse für den Arbeitsmarkt. Die Bedenken der Schwesterpartei CSU, ein gleicher Beitrag für alle Bürger sei politisch nicht vermittelbar, will sie nicht gelten lassen. Zudem sei der ursprüngliche Ansatz ja abgemildert worden (auf Druck des Arbeitnehmerflügels CDA): Der angepeilte Monatsbeitrag konnte jedenfalls von 264 auf 200 Euro pro Person reduziert werden. Überhaupt nimmt die Parteivorsitzende die Querelen der letzten Wochen, ausgelöst von der ewig nörgelnden Bayernschwester, nicht sonderlich ernst. Das sei "alles nicht so dramatisch", meinte sie vor Journalisten in Berlin. Auch die Attacken des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer ("Vom Herzog-Konzept sind nur noch die Gräten übrig") hängt sie tief: "Ich habe nicht den Eindruck, dass Seehofers Truppen gewachsen sind".Rauswurf Hohmanns noch nicht verdaut

Und mit CSU-Chef Edmund Stoiber, der am Dienstag ein Grußwort spricht, habe sie ebenfalls keine Probleme. Ob sie auch mit dem Fall Hohmann keine Probleme hat, ist indes ungewiss. Nach wie vor gärt es in rechten Kreisen der Partei, die mit dem Rauswurf des Abgeordneten wegen antisemitischer Äußerungen nicht einverstanden sind. Doch die Parteiführung glaubt, den Unmut kanalisieren zu können. Eine Patriotismusdebatte soll es nicht geben in Leipzig, doch natürlich werde die Vorsitzende auf den Sachverhalt eingehen, hieß es am Freitag. Aber eben nur am Rande. Wichtiger sei der Vorsitzenden, die grundsätzliche Frage zu erörtern, "was unsere Gesellschaft zusammen hält". Was die CDU zusammen hält, ist bereits klar: Der Wunsch und Drang, nach Jahren der oppositionellen Dürre so schnell wie möglich wieder an die Regierungsmacht zu kommen. Dafür, so Merkel, werde man sich in Leipzig programmatisch wappnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort