Rauschen im Geigerzähler

Am Tag der Katastrophe von Tschernobyl konnte man in Deutschland noch nichts ahnen. Wegen der Geheimhaltungspolitik der russischen Behörden erreichten uns die ersten Informationen Anfang Mai. Am Gymnasium Hermeskeil, wo ich als Biologie- und Chemielehrer tätig war, besaßen wir einen einfachen Geigerzähler im Taschenformat, mit dem wir seit einiger Zeit die Radioaktivität im Schulgarten im Abstand von einigen Tagen maßen.

Jedes Strahlenteilchen, das auf das Gerät traf, löste ein Knack-Geräusch aus. Wenn ich mich recht erinnere, knackte es pro Sekunde drei bis fünf mal. Anfang Mai, nach einem kurzen Regenfall, änderte sich das dramatisch. Statt einzelner Knacklaute war jetzt ein Rauschen zu hören. Erstmals schlug auch der Zeiger des Gerätes etwas aus, und es ließ sich errechnen, dass pro Sekunde Tausende von Strahlenteilchen das Gerät trafen. Ursache war - das wussten wir inzwischen aus den Nachrichten - das chemische Element Caesium 137, das als Staubwolke von Tschernobyl nach Westen gedriftet war. Zu Hause in Nonnweiler ernteten wir an diesem und den folgenden Tagen kein Gemüse aus dem Garten und ließen die Kinder nicht im Sand spielen. Da Caesium nur eine kurze Halbwertszeit hat und in der folgenden Woche trockenes Wetter herrschte, sank die Radioaktivität rasch ab. Es dauerte aber noch einige Wochen, bis wieder annähernd der normale Wert erreicht war. Eine Aufzeichnung in Kurvenform müsste sich in der Sammlung des Gymnasiums befinden. Dr. Hans Reichert, Trier

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