Reformjahr mit Licht und Schatten

Seit einem Jahr ist die Gesundheitsreform jetzt in Kraft. Und die Kritik daran will nicht verstummen. Im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung steht der Gesundheitsfonds, welcher aber erst ab 2009 wirksam wird. Mit den übrigen Reformteilen haben die Bürger unterschiedliche Erfahrungen gesammelt.

Was hat sich bewährt? Seit dem 1. April 2007 müssen die Krankenkassen ehemalige Mitglieder wieder aufnehmen, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihren Versicherungsschutz verloren haben. Verbraucherschützer sehen darin eine sinnvolle Regelung, auch wenn sich die großen Erwartungen nicht voll erfüllt haben. Nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums sollten bis zu 400 000 Menschen wieder zu einem Versicherungsschutz kommen. Aktuell sind es etwa 214 000. Wie profitieren die Patienten? In bestimmten Bereichen gab es zusätzliche Leistungen. Das gilt zum Beispiel für die Versorgung unheilbar Schwerstkranker, die mit Hilfe von Spezialisten nun auch zu Hause erfolgen kann. Zugleich gibt es mehr Impfungen, die jetzt von den Krankenkassen bezahlt werden. Vater- oder Mütter-Kind-Kuren werden ebenfalls von den Kassen getragen. Gibt es auch Leistungseinschränkungen? Ja. Kommt es nach einer Schönheitsoperation, einer Tätowierung oder bei Piercings zu Komplikationen, müssen die Betroffenen die Kosten nun ganz oder zum Teil selbst tragen. Generell gilt: Bei allen Patienten, die womöglich besonders teure Arzneimittel benötigen, ist eine ärztliche Zweitmeinung für die entsprechende Verordnung erforderlich. Außerdem müssen chronisch Kranke regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. Tun sie das nicht, verdoppelt sich die Belastungsgrenze bei den Zuzahlungen auf zwei Prozent ihres Einkommens. Wie werden die Wahltarife angenommen? Offenbar eher zögerlich, sagen Experten. Was vorher nur für die privaten Kassen galt, nämlich Beitragsnachlässe oder Tarife für besondere Leistungen, sollte mit der Reform auch die Attraktivität der gesetzlichen Krankenversicherung verbessern. Doch bei den meisten Tarif-Optionen profitieren fast ausschließlich junge und gesunde Mitglieder. Hinzu kommt, dass sich die Versicherten mit einem Wahltarif drei Jahre an ihre Kasse binden. Das übliche Kündigungsrecht bei Beitragserhöhungen entfällt in dieser Zeit. Wo gibt es unvorhergesehene Probleme? Trotz aller Sparmaßnahmen steigen die Kassenausgaben für Arzneimittel wieder spürbar an. Nach Angaben der Apothekerbranche lagen die Kosten für Salben und Pillen im Februar um fast zehn Prozent höher als im gleichen Vorjahresmonat. Verantwortlich dafür sei eine deutlich gestiegene Anzahl von Verordnungen. Dabei profitieren Patienten von preiswerten Medikamenten: Bei bestimmten Präparaten entfällt für sie die Zuzahlung. Wie steht es um den Beitragssatz? Auch das ist ein wunder Punkt der Reform. Die meisten Kassen haben im Vorjahr ihren Beitrag erhöht. Einen weiteren Schub gab es Anfang 2008. Dadurch ist der durchschnittliche Beitragssatz inzwischen auf 14,9 Prozent vom Bruttolohn gestiegen. Fachleute gehen davon aus, dass der Beitrag im Hinblick auf den Gesundheitsfonds weiter anziehen wird. Was hat der Fonds mit dem Beitrag zu tun? Entscheidend für den Beitrag sind der medizinische Fortschritt und die Mehrkosten für Krankenhäuser und Medikamente. Der Gesundheitsfonds beeinflusst die Beitragsentwicklung aber indirekt mit. Denn ab 2009 gilt für alle gesetzlichen Krankenkassen ein staatlich verordneter Einheitsbeitrag, der die Kassenausgaben zunächst komplett abdecken soll. Dies kann aber nur bedeuten, dass heute noch preiswerte Kassen teurer werden und Kassen mit besonders hohen Beiträgen billiger. Kommt eine Kasse im weiteren Verlauf nicht mit ihrem Geld aus dem Fonds hin, muss sie einen Zusatzbeitrag erheben. Um diesen Wettbewerbsnachteil so lange wie möglich zu vermeiden, dürfte manche Kasse in diesem Jahr noch ein Polster anlegen. Auch dadurch könnte der Durchschnittsbeitragssatz steigen.

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