Regulierung am Plattenteller

BERLIN. Millionen Ohren können eigentlich nicht irren: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sind die drei beliebte-sten Schlager "Griechischer Wein" und "Siebzehn Jahr, blondes Haar" von Udo Jürgens sowie "Die kleine Kneipe" von Peter Alexander.

Diese Lieder hört man selten im Radio, und auch andere heimische Musik dudelt nicht oft über den Äther. Deutschsprachige Musik kommt nach Ansicht von Künstlern wie Udo Lindenberg, Reinhard Mey, Wolfgang Niedecken oder Jungstars wie Xavier Naidoo und Mousse T. in den Medien kaum noch vor. "In einigen Sendern liegt die Quote deutscher Neuvorstellungen bei gerade noch einem Prozent", ärgern sich in einem Aufruf mehr als 500 Branchenvertreter. Sie fordern eine Radioquote für deutsche Popmusik. Beifall erhielten die Musiker jüngst von höchster politischer Stelle. Als Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Konzern "Universal" besuchte, meinte er zwar: "Mein Liedgut ist beschränkt, das geb‘ ich gerne zu." Als Radiohörer würde er sich aber über eine Quote für deutsche Produktionen freuen. Am kommenden Mittwoch findet dazu nun eine Anhörung im Bundestag mit Künstlern sowie Vertretern der Sender und Musikbranche statt. Und die Chancen, dass es die Republik den Franzosen gleich tut, stehen mittlerweile gar nicht so schlecht. Seit 1994 werden in Frankreich französische Künstler gezielt unterstützt- mindestens 40 Prozent der Musikprogramme müssen mit ihren Produktionen gestaltet werden. Hier zu Lande indes, so die Klage vieler Musiker, erhielten junge Künstler bei den Plattenfirmen keine Verträge mehr, weil die Konzerne für sie keine Plattform fänden. Glück habe, wer "von lokalen Radiostationen zu überregionaler Bedeutung hochgesendet werde". Die Fraktion der Quotenfreunde, die gegenüber dem "amerikanischem Mainstream" Chancengleichheit für Talente will, wächst. Schon im vergangenen Jahr hatte die Ministerpräsidentenkonferenz die Hörfunkanstalten aufgefordert, mehr deutschsprachige Musik zu senden.Vereint gegen die "Einheitsprogramme"

Genutzt habe das nichts, so die stellvertretende Bundestagspräsidentin Antje Vollmer (Grüne). Von einer Selbstverpflichtung der Sender hält sie nichts: "Ich neige dazu, bei der Musik zu einer Gesetzgebung zu kommen." Gefordert seien die Länder. "Entweder macht man eine Bundesratsinitiative, oder einige preschen vor und ändern ihre Rundfunkgesetze", sagte Vollmer. Auch Kulturpolitiker der Opposition sind für die staatliche Regulierung, weil "Einheitsmusikprogramme" den Markt beherrschten. Einige Stationen kommen in der Tat mit einem Repertoire von wenigen hundert Titeln aus. Nicht jeder kann der Quote allerdings etwas abgewinnen: Herbert Grönemeyer etwa geht davon aus, dass sich die deutsche Szene ohne Regelung etablieren wird. Auch der CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter ist skeptisch. Er befürchtet, dass die Plattenindustrie nur ihre rückläufigen Absätze ankurbeln will. Deutschsprachige Musik sei ja nicht per se gut, sagen Kritiker in den Hörfunkanstalten. Was wird also von der Quotendebatte übrig bleiben? Voraussichtlich eine auf zwei Jahre befristete Selbstverpflichtung der Branche, heißt es in Berlin. Wenn das nicht hilft, sollen die Länder doch regulierend am Plattenteller drehen.

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