Reichlich Extrawürste

TRIER. Wenn Sie bei der Europawahl am 13. Juni etwas länger in ihrem Wahllokal brauchen oder in der Schlange vor der Wahlkabine stehen, dann hat das nichts mit der EU-Osterweiterung zu tun. Schieben Sie das lieber auf die gleichzeitig stattfindende Kommunalwahl. Die ist aufwändiger und zeitintensiver. Bei der Europawahl dagegen ändert sich durch den Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern so gut wie nichts.

SITZVERTEILUNG: Bei der Sitzverteilung hat Deutschland von allen Ländern der Europäischen Union die besten Karten. War es bisher zwar das bevölkerungsreichste Land der EU, so war es aber auch das am extrem unterrepräsentierteste Land. Deutschland behält somit auch nach der Osterweiterung um zehn weitere Länder aus Mittel- und Osteuropa 99 Abgeordneten-Sitze. Auch Luxemburg behält seine Zahl von sechs Sitzen. Bisland entsandten 15 EU-Staaten 626 Europa-Abgeordnete, ab Juni werden 25 Länder 732 Abgeordnete entsenden - eine Folge des nationalen Geschachers beim Gipfel von Nizza. Einheitlich ist nur der Zeitrahmen

EUOPÄISCHES WAHLSYSTEM: Das Europa-Parlament wird alle fünf Jahre gewählt - überall gleich, jedoch mit reichlich nationalen Extrawürsten. Deshalb heißt es nicht einheitliches Wahlsystem, sondern "einheitliche Grundsätze", aber das Verhältniswahlrecht hat sich inzwischen auch in Großbritannien durchgesetzt. Einheitlich ist immerhin, dass die Abgeordneten bis 2009 gewählt werden. WAHLLISTEN: In den Bundesländern stellen die nationalen Parteien ihre Wahllisten auf - in Deutschland je nach Parteigröße nach Bundes- oder Landeslisten. Derjenige, der folglich weit oben auf der Liste steht, hat gute Aussichten auf einen Einzug ins Europa-Parlament , wenn denn seine Partei auch viele Stimmen erringt. Im Gegensatz zur Bundestagswahl gibt es in Deutschland allerdings keine Wahlkreise. Anders läuft die Wahl in Belgien, Dänemark, Finnland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Schweden mit "offenen Listen". Hier kann jeder Wähler noch an der Urne die Reihenfolge der Liste mit seiner Stimme verändern. Schweden dürfen in der Kabine sogar noch neue Namen eintragen. SPERRKLAUSEL: In Deutschland gilt auch bei der Europawahl die Fünf-Prozent-Hürde. Danach schickt nur diejenige Partei Abgeordnete ins EU-Parlament, die fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten hat. Das gilt auch in Frankreich so, anders dagegen in Österreich oder Schweden, wo mit vier Prozent eine niedrigere Hürde gilt. Italien verzichtet ganz auf eine Sperrklausel. Wählen von Donnerstag bis Sonntag

WAHLTERMIN: Nationale Sonderheiten gelten auch beim Wahltermin. Während Deutschland am 13. Juni, einem Sonntag, wählt, machen Iren, Niederländer und Briten aus Tradition bereits donnerstags ihr Kreuzchen. Die Dänen erhoffen sich dagegen eine höhere Wahlbeteiligung durch die erstmalige Europawahl an einem Sonntag. Und so wählt das europäische Volk von Donnerstag bis Sonntag. WAHLBERECHTIGTE: Sonderregeln gelten ebenfalls für die Wahlberechtigten. Allgemein dürfen alle EU-Bürger über 18 Jahre an ihrem Wohnort wählen, ohne dabei die jeweilige Staatsangehörigkeit haben zu müssen. Aber: Der Teufel steckt im Detail, die genauen Regeln sind von Land zu Land verschieden. Die einen Staaten (wie Deutschland) verlangen, dass man sich gewöhnlich dort im Land aufhält, andere (wie Österreich), dass man ins Bevölkerungsregister eingetragen ist, wieder andere (wie Frankreich), dass man dort seinen Wohnsitz hat. Wer außerhalb der Europäischen Union lebt, dem verbieten Dänemark, die Niederlande,Österreich und Portugal sogar ganz die Stimmabgabe, Deutschland nur dann, wenn der Staatsbürger länger als zehn Jahre im Ausland lebt. KOMMUNALES WAHLSYSTEM: Wer will, der kann. Nach diesem Motto können bei den Wahlen zu den Kommunalparlamenten in Rheinland-Pfalz seit 1989 Stimmen gehäufelt (kumulieren), über mehrere Listen verteilt (panaschieren) oder auch Kandidaten gestrichen werden. Doch ganz so kompliziert, wie es sich anhört, ist das Wahlverfahren nicht. Insgesamt sind höchstens soviele Stimmen zu vergeben, wie Sitze zu besetzen sind. Hat der Rat wie in Trier 52 Sitze, sind folglich maximal 52 Einzelstimmen zu vergeben. Die Zahl der Stimmen ist auf dem jeweiligen Wahlzettel angegeben. Wer allerdings zu viele Kreuzchen als möglich verteilt, macht seinen Wahlzettel ungültig. Durch die vielen Möglichkeiten der Stimmenverteilung können Listen anders gewichtet werden als vorgegeben oder auch nur einzelne Bewerber über alle Wahlvorschläge hinweg ausgewählt werden. Wer all seine Möglichkeiten nutzen will, muss Zeit mitbringen, denn je nach Wohnort muss er neben dem Europa-Parlament auch den Kreistag, den Verbandsgemeinderat oder den Stadtbürgermeister, den Stadtrat, den Ortsbeirat und den Ortsvorsteher wählen. Immerhin jeder zweite Wähler macht inzwischen von diesen Wahlmöglichkeiten Gebrauch. LISTENWAHL: Wer mit dem Kandidatenangebot einer Partei oder Gruppierung uneingeschränkt einverstanden ist, kann es sich auch leicht machen und den Wahlvorschlag als Liste in der Kopfleiste ankreuzen. Jeweils eine Stimme wird dann nach der Reihenfolge der Kandidaten zugeordneten. Sortieren, bündeln und streichen

KUMULIEREN: Bis zu drei Personenstimmen können den einzelnen Kandidaten zugeteilt werden. Ist dabei zusätzlich eine Liste angekreuzt, werden die noch zu vergebenden restlichen Stimmen des Kontingents auf die Bewerber der Liste nach ihrer Reihenfolge verteilt. PANASCHIEREN: Die Stimmen können über mehrere Wahlvorschläge an Kandidaten verteilt werden. Bis zu drei Stimmen pro Bewerber sind möglich. Sind noch Reststimmen zu vergeben, die nicht gezielt einem Kandidaten zukommen sollen, kann noch zusätzlich eine Liste angekreuzt werden. STREICHEN: Wer einen Wahlvorschlag als Liste ankreuzt, damit eine gewisse Zahl von Stimmen automatisch nach Reihenfolge der Kandidaten verteilt wird, kann einzelne Bewerber auf dieser Liste ausdrücklich streichen. Diesem Kandidaten wird keine Stimme zugeteilt.

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