Reihen beginnen sich zu schließen

BERLIN. Die SPD-Spitze hat das Programm für die geplante Bundestagswahl im Herbst verabschiedet. Parteichef Müntefering sagte nach der sechsstündigen Sitzung des "Kleinen Parteitags" am Montag in Berlin, es habe keine Gegenstimmen oder Enthaltungen gegeben.

Der 45-köpfige SPD-Bundesvorstand hat nach knapp sechsstündigen Beratungen das 41-seitige Wahlmanifest mit dem Titel ,,Vertrauen in Deutschland" einstimmig gebilligt. Unter dem Motto ,,dies ist ein Regierungsprogramm und kein Oppositionsprogramm" erklärte SPD-Chef Franz Müntefering am Montagabend in Berlin: ,,Wir wollen mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler auch die nächsten vier Jahre Politik in Deutschland gestalten." Auf einem so genannten ,,Kleinen Parteitag" hatte die SPD-Spitze zuvor im Willy-Brandt-Haus den Wahlprogramm-Entwurf noch einmal stundenlang geknetet und ihm ,,den letzten Schliff" verpasst. Mit am Diskussions-Tisch saßen der Bundeskanzler, der Parteivorstand, der Parteirat, der Fraktionsvorstand sowie alle SPD-Bezirks- und Landesvorsitzenden und Spitzenvertreter der SPD-Kommunalpolitik. Schröder hatte in dem Kreis mehrfach selbst das Wort ergriffen. Teilnehmern zufolge soll der Kanzler unter anderem kampfeslustig gesagt haben, wer ihn am liebsten schon bald auf dem Altenteil oder ,,zu Hause bei meiner Familie in Hannover" sähe, der werde sich gewaltig irren. Die SPD werde einen harten Wahlkampf vorlegen, den es so bisher noch nicht gegeben habe. Er sei entschlossen, sich dafür auch zu quälen. Am heutigen Dienstag um elf Uhr wollen Müntefering und Schröder das Wahlmanifest gemeinsam der Öffentlichkeit vorstellen, mit dem die Sozialdemokraten vier Tage nach der planmäßig gescheiterten Vertrauensfrage des Kanzlers in den Kampf um eine vorgezogene Wahl am 18. September ziehen wollen. Auch die taktische Marschroute der SPD ist seit gestern klar, und Müntefering wird nicht müde, sie den Genossen immer wieder schmackhaft zu machen: Die Reihen fest schließen, den Blick nach vorn und nicht länger zurück – und kämpfen, kämpfen, kämpfen. Im vertraulichen Gespräch räumen viele Genossen ein, dass auch sie eigentlich nicht so recht an einen Wahlerfolg und an eine mögliche Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses für weitere vier Jahre glauben. Zu niederschmetternd sind die Aussagen der Meinungsforscher, die die SPD bei 26 oder 27 Prozent und die Grünen bei sieben oder acht Prozent pendeln sehen, würde jetzt gewählt. Dagegen kämen Union und FDP zusammen auf klar über fünfzig Prozent. Zwar kündigt die SPD im Wahlmanifest an, im Fall einer Wiederwahl die von Kanzler Schröder mit der Agenda 2010 eingeleiteten Reformen ,,konsequent fortsetzen" zu wollen. Zugleich aber soll die Modernisierung der Gesellschaft sozial ausgewogener erfolgen. So will sich die SPD zum Beispiel einerseits deutlich von Union und FDP abgrenzen. Deshalb die nachdrückliche Forderung nach Erhalt des vollen Kündigungsschutzes und der Steuerfreiheit für Nacht- und Sonntagsdienste. Auf der anderen Seite steht die Forderung nach einer sogenannten ,,Reichensteuer" für Topverdiener, die deutlich auch in Richtung der Strategie der neuen Linkspartei zielt. Zustimmung bei Rechten und Linken

Der SPD schwant nämlich: Oskar Lafontaine und Gregor Gysi sitzen ihr im Nacken, werden alles versuchen, auch in angestammten SPD-Revieren erfolgreich zu wildern. Zumindest eines scheint der SPD jetzt zügig zu gelingen: Die Reihen beginnen sich zu schließen. Die SPD-Linke Andrea Nahles beschrieb das gestern so: ,,Mein Eindruck ist, dass wir insgesamt eine sehr geschlossene SPD hinter dieser Wahlplattform haben. Wir haben hart daran gearbeitet, dass das ein Programm wird, das von allen getragen wird." Ähnlich positiv sah das auch Gernot Erler, Sprecher der SPD-Linken und stellvertretender Fraktionschef, unmittelbar vor der gestrigen Sitzung: ,,Jetzt geht es nur darum, noch ein bisschen zuzuspitzen. Aber der Entwurf ist insgesamt klug gewienert." Die Frage, ob denn dieses Manifest überhaupt zu Schröder passe, konterte Erler: ,,Das Programm passt zu diesem Kanzler. Aber vielleicht hat die Öffentlichkeit ja ein falsches Schröder-Bild." Der rechte Flügel der SPD, gebündelt im ,,Seeheimer Kreis", scheint ebenfalls zufrieden mit dem Wahlmanifest. Deren Sprecher Johannes Kahrs gestern: ,,Wir haben uns auch Strukturen gelegt, auf denen man in den nächsten Jahren wird aufbauen können. Ich glaube auch nicht, dass wir mit unserer Politik insgesamt gescheitert sind." Endgültig beschlossen werden soll das Wahlmanifest auf einem Wahlparteitag am 31. August.

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