Revolution nicht ausgeschlossen

TRIER. Sie ist jung, eloquent und Landesbischöfin von Hannover. Und sie könnte in der Geburtsstadt von Karl Marx für eine kirchenpolitische Revolution sorgen: Margot Käßmann (45) gilt bei der am Sonntag in Trier beginnenden Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als heiße Anwärterin auf die Nachfolge des scheidenden Ratsvorsitzenden Manfred Kock (67).

Hannes Schoeb schüttelt den Kopf: "Nein", sagt der EKD-Sprecher, "dass wir in Trier tagen, hat absolut nichts damit zu tun, dass wir gerne in die Diaspora gehen." Die einmal jährlich stattfindende Synode (siehe Stichwort) wandere durch die Landeskirchen, und wegen der guten Tagungsmöglichkeiten biete sich das katholische Trier nun einmal an. Der Stadt kann's nur recht sein: Ab dem Wochenende wird Deutschlands älteste Kommune für sechs Tage im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. 130 Journalisten plus Kameraleute und Techniker haben ihr Kommen angekündigt, wenn sich die Synodalen am Sonntagmorgen zum Auftaktgottesdienst in der Basilika treffen und anschließend in der Trierer Europahalle die eigentliche Tagung beginnt. "Diesmal bringt uns Trier hoffentlich mehr Glück"

Dass das Medien-Echo derart groß ist, hat einen ganz profanen Grund: Die EKD-Synode wählt einen Nachfolger für den seit sechs Jahren amtierenden Ratsvorsitzenden Manfred Kock, den höchsten Repräsentanten der mehr als 26 Millionen Protestanten in Deutschland. Zusätzliche Brisanz erhält die bei den evangelischen Christen ohnedies in der Regel spannende Wahl durch die als wahrscheinlich geltende Kandidatur der hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann. Die 45-jährige Mutter von vier Töchtern und promovierte Theologin (Hobbies: Kino, Krimis, Joggen) steht seit 1999 an der Spitze der mit 3,2 Millionen Mitgliedern stärksten evangelischen Landeskirche - die dritte Frau in einem solch hohen Amt. Margot Käßmann gilt als fromm und dennoch weltoffen, als globalisierungskritisch und unideologisch frauenbewegt. Einen Namen gemacht hat sich die langjährige Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags auch als engagierte Verfechterin der Ökumene, die zudem gerne und kritisch Stellung bezieht zu aktuellen politischen Themen. So äußerte sich die Landesbischöfin jüngst etwa zur Reformdebatte ("Sparmaßnahmen bei Familien und Armen sind der falsche Weg") oder zum Vorstoß von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zur erweiterten Forschung mit im Reagenzglas erzeugten Embryonen ("Schockierend"). Während die einen Käßmanns direkte und unkomplizierte Art schätzen, ist sie konservativen Kreisen in den eigenen Reihen eher suspekt. Auch ihr für hohe kirchliche Ämter fast schon jugendliches Alter und eben die Tatsache, dass die Kandidatin eine Frau ist, könnte etliche Synodale davon abhalten, sie zu wählen, wird gemunkelt. Der noch amtierende Ratsvorsitzende Manfred Kock wischt solche Spekulationen vom Tisch: "In unserer Kirche ist das kein Problem", sagt der 67-Jährige. "Wir haben Frauen in leitenden Ämtern." Intern für die Kock-Nachfolge gehandelt wird aber nicht nur die hannoversche Landesbischöfin. Auch dem 61-jährigen Berliner Bischof Wolfgang Huber (gilt als Vordenker und erfolgreicher Sanierer), seinem bayerischen Kollegen Johannes Friedrich (der 55-Jährige gilt als ausgleichend und Mann der klaren Worte) und Thüringens 59-jährigen Landesbischof Christoph Kähler (gilt als Reformer mit hohen Sympathiewerten) werden gute Chancen nachgesagt. Eines haben alle vier Kandidaten gemeinsam: Öffentlich geäußert über mögliche Ambitionen hat sich keiner von ihnen. Und schon bei vergangenen Synoden kam manch im Vorfeld besonders heiß gehandelter Kandidat "hinterher als begossener Pudel wieder raus", spöttelt ein Insider. Dass sich die für Dienstag angesetzte Wahl hinziehen kann, wäre durchaus nicht ungewöhnlich. Bei der letzten EKD-Synode in Trier vor 18 Jahren dauerte es geschlagene zwei Tage und 13 Wahlgänge, bis der Rat stand und sein Vorsitzender gewählt war. "Dieses Mal", hofft der damals anwesende EKD-Sprecher Hannes Schoeb, "bringt uns Trier hoffentlich etwas mehr Glück." Dann sei die Wahl am Dienstagabend gelaufen.

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