Risiken und Nebenwirkungen

Die Zeiten, in denen die weisen Entscheidungen der Obrigkeit einer verschüchterten Bürgerschaft mitgeteilt wurden, sind seit den 68ern und Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen" hierzulande vorbei. Gut so.

Bürger melden sich zu Wort und artikulieren ihre Interessen. Das hat schon viel Unfug verhindert.

Freilich gilt umgekehrt auch: Nicht alles, was aus verständlicher Betroffenheit von Anliegern, Anwohnern oder Bürgerinitiativen gefordert wird, dient deshalb schon automatisch dem Gemeinwohl. Es kann durchaus sein, dass gerade das Interesse der Gesamtheit erfordert, einer Gruppe von Bürgern Unangenehmes zuzumuten.

Da die richtige Balance zu finden, ist die Aufgabe der Politik. Sie muss, wenn es etwa um Bau- und Ansiedlungsprojekte geht, die widerstreitenden Interessen abwägen: Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Umweltschutz, Belastungen für die Bürger. Sie muss für Transparenz sorgen, alle einbeziehen, dann aber letztlich Partikular-Interessen bei der Entscheidung hintanstellen. Auch wenn deren Vertreter am lautesten schreien.

Betrachtet man die aktuellen Konflikte in der Region, hat man den Eindruck, dass bei vielen Politikern die Angst dominiert, sich unbeliebt zu machen. Und bei vielen Bürgern das St.Florians-Prinzip. Das heißt nicht, dass man nicht jedes Projekt sorgfältig prüfen muss und dass am Ende einer Prüfung auch die Ablehnung stehen kann. Oder zumindest ein Kompromiss.

Aber die Häufung der Probleme lässt eher darauf schließen, dass niemand mehr die Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen will, die mit Industrie-, Fremdenverkehrs- oder Wirtschafts-Ansiedlungen verbunden sind. Was Lärm macht, riecht, transportiert werden muss oder Staub aufwirbelt, soll am besten irgendwo in die Pampa oder in den Wald. Aber das geht nicht immer. Bodenschätze kann man nur da abbauen, wo man sie findet, Betriebe nur da erweitern, wo sie stehen, Waren nur da verfrachten, wo es Verkehrswege gibt. Die Alternative wäre, sich blind darauf zu verlassen, dass der Boom von Weiße-Kragen-Jobs in Luxemburg und die üppigen Geldmarkt-Gewinne, die dort anfallen, unsere Region dauerhaft über Wasser halten.

Ein Traum, der in der nächsten Banken-Krise zerplatzen kann wie eine Luftblase. Spätestens dann würde man es bereuen, Chancen ausgelassen zu haben, die die reale Wirtschaft bietet. Auch wenn sie mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind.

d.lintz@volksfreund.de

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