Ritter der traurigen Gestalt

BERLIN. (BB) Er muss immer neue Tiefschläge verdauen: Mittlerweile hat Finanzminister Hans Eichel seine Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Es war einmal ein Mann, der den Leuten durch Seriosität, Fleiß und Sachverstand imponierte. Auch im Kabinett von Gerhard Schröder war er hoch angesehen. Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen, galt zeitweise gar als Kronprinz des Kanzlers, befähigt zur Führung der Republik. Es war einmal. Heute ist aus dem ehemaligen Hoffnungsträger ein Ritter von der traurigen Gestalt geworden. Verlassen vom Glück und von seinen Genossen, geschmäht vom politischen Gegner und von Teilen der Presse, die ihn als Steuer-Vampir und Lügen-Pinocchio abbildet. In dieser Woche hat Eichel eine weitere schwere Schlappe einstecken müssen. Obwohl er sich "auf die Hinterbeine stellte", musste Eichel die Explosion der Tabaksteuer akzeptieren. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte dies verlangt, die Grünen hatten sie unterstützt, und der schwankende Kanzler war in Richtung der Steuerlügner umgekippt. "Rasen für die Rente, rauchen für die Mütter, saufen für Eichel", kalauerte der FDP-Finanzexperte Carl-Ludwig Thiele. Zur Stabilisierung des Rentenbeitrags hatte Eichel schon die Ökosteuer erhöhen müssen, zur Herausnahme des Mutterschaftsgeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung nun die Tabaksteuer. Am Freitag dann der Vorschlag des Chefs der Innungskrankenkassen, doch bitte auch die Alkoholsteuer anzuheben. Hans Eichel - ein Mensch, der lange nicht ernst genommen wurde, aber durch Sekundärtugenden wie Ordnungsliebe und Zuverlässigkeit ein gewisses Renommee erwarb. Tapfer verteidigte er seine Politik, die keiner verstand, unermüdlich predigte er von "Konsolidierung" und pries seine Vision vom schuldenfreien Haushalt, den er im Jahr 2006 präsentieren wolle. Ein kühner Anspruch - der nunmehr tollkühn ist: Niemand glaubt mehr an die Mär, dass in drei Jahren ein ausgeglichener Haushalt möglich sein könnte. Die Verbindlichkeiten wachsen ihm über den Kopf. Gegenwärtig ist der Schuldenberg des Bundes rund 780 Milliarden Euro groß und Besserung ist nicht in Sicht. Beinahe wöchentlich öffnen sich neue Finanzlöcher. Ist es daher nicht merkwürdig, dass der Kanzler seinem Finanzknappen vor ein paar Monaten noch eine "große Leistung" für seinen "Haushalt der Vernunft und Verantwortung" bescheinigte? Schwer trägt der Minister an der Last, dass sich sein Markenzeichen verflüchtigt hat: die Glaubwürdigkeit. Sie war spätestens dahin, als er vor der Bundestagswahl 2002 behauptete, die EU-Stabilitätskriterien einhalten zu können. Eichel weiß, dass er längst nicht mehr regiert, sondern nur noch reagiert. Dabei hilft ihm - was die Steuerschätzungen - nur das Prinzip Hoffnung. Wenn es gut läuft, könnte der Mann, der sich selbst ein "dickes Fell" bescheinigt und "keinen Gedanken an einen Rücktritt" verschwendet, noch mit einem blauen Auge davon kommen. Bis zur nächsten Hiobsbotschaft.

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