"Rot-Grün wollte Rückkehr verhindern"

BERLIN. Als Konsequenz aus dem Fall des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz fordert die FDP mehr Kontrollrechte für das Parlament. "Die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste, aber auch der geheimen Einsätze der Bundeswehr, ist sehr unzureichend ausgestattet", sagt Generalsekretär Dirk Niebel im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Niebel, hätte Rot-Grün Herrn Kurnaz vier Jahre Guantanamo ersparen können? Niebel: Nach allem, was wir bisher wissen, gab es zumindest die Möglichkeit, dass Herr Kurnaz früher aus der Haft hätte entlassen werden können. Es muss jetzt dringend aufgeklärt werden, ob die alte Bundesregierung hier einem Menschen unnötige Pein verschafft hat. Was wissen Sie denn bisher?Niebel: Es gibt einen Aktenvermerk der alten Regierung, der darauf hin deutet, dass eine vorzeitige Entlassung möglich gewesen ist. Nicht nur nach den Aussagen des Rechtsanwaltes von Herrn Kurnaz gab es offenbar auch den Versuch, das dauerhafte Bleiberecht im Pass des Herrn Kurnaz auf dem Verwaltungswege zu streichen. Das sind Indizien dafür, dass sich Rot-Grün sogar aktiv darum bemüht hat, eine Rückkehr nach Deutschland zu verhindern - und dadurch die Haft in Guantanamo faktisch verlängert hat. Wenn sich dies bewahrheitet, kann das für die Verantwortlichen nicht ohne Konsequenzen bleiben. Wenn es so ist, wie Sie sagen, warum hat die Bundesregierung nichts getan? Niebel: Genau das müssen zwei Untersuchungsausschüsse jetzt herausfinden. Dabei geht es auch um die Frage der Verantwortung. Zielscheibe ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der damals verantwortlich war im Kanzleramt. Niebel: Der reguläre Termin, zu dem der Bundesaußenminister in den Ausschuss geladen ist, ist viel zu spät. Es gibt jetzt keinen Aufklärungswunsch mehr, sondern es gibt eine dringende Aufklärungsnotwendigkeit. Auch gegenüber jenen damaligen Regierungsmitgliedern, die heute nicht mehr in Amt und Würden sind, hat die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Klarheit. Welchen Eindruck haben Sie von Herrn Kurnaz?Niebel: Ich habe ihn im Verteidigungsausschuss erlebt. Er macht auf mich den Eindruck eines sehr glaubwürdigen Zeugen. Die unmenschliche Behandlung, die ihm in Guantanamo widerfahren ist, und die Art und Weise der vermutlich unterlassenen Hilfeleistung der alten Bundesregierung hat er sehr eindrucksvoll geschildert. Trägt das Parlament aber nicht womöglich eine Mitschuld? Die parlamentarische Kontrolle hat im Fall Kurnaz jedenfalls kläglich versagt. Niebel: Die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste, aber auch der geheimen Einsätze der Bundeswehr ist sehr unzureichend ausgestattet. Oftmals wird doch nur das gegenüber dem Parlament erklärt, was über die Medien längst bekannt geworden ist. Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, wie die parlamentarische Kontrolle aller geheimen Aktivitäten verbessert werden muss. S Mit Dirk Niebel sprach TV-Korrespondent Hagen Strauß.

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