Rot-grüne Rebellen gezähmt

BERLIN. (ve) Zum Auftakt der Woche der Wahrheit brachte Olaf Scholz nochmal in Erinnerung, warum sich seine SPD streitet: "Der Abbau der Arbeitslosigkeit ist das Ziel der Reform." Dabei finden sich die Grünen mit den aktuellen Hartz-Gesetzen schneller zufrieden als die Genossen.

Ob sich SPD-Generalsekretär Scholz bei Verlust des Parteijobs auch als Würstchenverkäufer verdingen würde? "Ich fände das in Ordnung", lächelte Scholz. Nur eine Stunde hatte die Koalitionsrunde mit den Grünen gedauert, um die Änderungswünsche der Bedenkenträger zu den neuen Arbeitsmarkt- und Sozialgesetzen (Hartz III und IV) endgültig in einen Kompromiss zu gießen. Sonderlich viel war dabei auch nicht mehr zu tun. Die meiste Arbeit hatte eine Gruppe aus rot-grünen Fachpolitikern erledigt. Außerdem war von vorn herein klar, dass sich die Koalitionsspitzen nicht mehr auf substanzielle Korrekturen der Hartz-Gesetze einlassen würden.Keine substanziellen Korrekturen

Zu den heiß umstrittenen Punkten der letzten Wochen gehörten die Zumutbarkeitskritierien für einen Job, die Anrechnung des privaten Vermögens auf das künftige Arbeitslosengeld II sowie die Unterhaltspflicht von Verwandten ersten Grades. Hier gab es noch Bewegung. So ist eine Arbeit unzumutbar, "wenn nicht mindestens das maßgebliche tarifliche Arbeitsentgelt oder mangels einer tariflichen Regelung das ortsübliche Arbeitsentgelt gezahlt wird". Das gilt auch für Mini-Jobs. Außerdem soll die Beschäftigung für Familienmitglieder nur zumutbar sein, wenn die Kinderbetreuung gesichert ist. Um Langzeitarbeitslosen einen größeren Teil ihrer Ersparnisse fürs Alter zu lassen, soll ein zusätzlicher Betrag von 200 Euro je Lebensjahr (maximal 13 000 Euro) bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II unberücksichtigt bleiben. Das entspricht einer Verdoppelung des geplanten Freibetrages. Der Betroffene muss aber sicher stellen, dass seine Lebensversicherung oder der Sparvertrag nicht vor Eintritt in den Ruhestand angetastet wird. Außerdem soll es keine wechselseitige Unterhaltspflicht von Eltern und erwachsenen Kindern geben, bevor die staatliche Unterstützung zum Zuge kommt. "Das war eine konsensuale Stimmung", schwärmte Grünen-Chef Bütikofer nach dem Koalitionsgespräch. Bei der Sondersitzung der SPD-Fraktion ging es weniger entspannt zu. Das mochte auch daran gelegen haben, dass die Änderungen erst zu Beginn der Beratungen schriftlich vorlagen. Dabei hatten sich Abweichler wie Sigrid Skarpelis-Sperk schon bis "allerspätestens" Sonntag eine entsprechende Vorlage gewünscht, um auch mal "eine Nacht darüber schlafen" zu können. Ihre ersten Reaktionen fielen daher recht einsilbig aus.SPD-Tischvorlage mit heißer Nadel gestrickt

"Erst mal gucken", befand Klaus Barthel. "Erst mal lesen", attestierte Horst Schmidbauer. Selbst die Tischvorlage für die Sondersitzung war mit heißer Nadel gestrickt. Statt neuer Gesetzformulierungen gab es einen Informationstext. Die Rebellen zeigten sich damit nicht zufrieden. Hinter verschlossenen Türen wiesen Schmidbauer und der Sozialpolitiker Ottmar Schreiner einmal mehr auf die Gefahr von Dumpinglöhnen hin, wenn die Zumutbarkeitskriterien nicht enger gefasst würden. Sämtliche Kritiker vermieden es aber, sich auf ein konkretes Abstimmungsverhalten am Freitag im Bundestag festzulegen. Schließlich kippte die Fraktionsführung eine ursprünglich angesetzte Probeabstimmung. Wohl auch deshalb, weil sich die Reihen am Ende der mehr als dreistündigen Diskussion bereits stark gelichtet hatten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Grünen mit ihrer Sondersitzung längst fertig. Hier hatte vor allem der Wirtschaftsexperte Werner Schulz gegen die Arbeitsmarktreform Front gemacht. Im Kanzler-Lager wurde freilich aufmerksam registriert, dass kein Abweichler eine definitive Ablehnung signalisierte. Gerhard Schröder darf also hoffen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort