"Roter Sheriff" setzt auf Gendatei

BERLIN. 66 Tötungsdelikte, 135 Sexualstraftaten und über 3000 Diebstähle sind mit Hilfe der Gendatei seit ihrer Einführung vor fünf Jahren aufgelöst worden. Innenminister Otto Schily plädiert nun für eine deutliche Ausweitung der Nutzung.

Vier Jahre tappten die Ermittler bei der Suche nach dem Mörderim Dunkeln. Der Unbekannte hatte im Dezember 1995 eine 20-Jährigeim Regionalzug Dresden-Zwickau geknebelt, vergewaltigt und ausdem Zug geworfen. Hätte das Bundeskriminalamt (BKA) am 17. April1998 nicht die DNA-Analysedatei in Betrieb genommen, der Täterwäre wohl nie gefasst worden. So aber konnte festgestellt werden,dass es sich um einen Mann handelte, der bereits seit 1996 wegeneines anderen Tötungsdeliktes in Baden-Württemberg im Gefängnissaß. Von solchen Beispielen gibt es einige, allein im vergangenen Jahr sind mit Hilfe des so genannten "genetischen Fingerabdrucks" 66 Tötungsdelikte, 135 Sexualstraftaten und über 3000 Diebstähle aufgeklärt worden. Fünf Jahre nach der Einführung der damals umstrittenen DNA-Dateien, über die selbst lange zurückliegende Straftaten nachgewiesen werden können, ist Innenminister Otto Schily (SPD) überzeugt: "Ein sehr erfolgreiches und bedeutsames Instrument zur Aufklärung und Verhinderung von Verbrechen", bilanzierte er gestern. Mörder,Sexualstraftäter und andere schwere Straftäter könnten durch den Abgleich hinterlassener Spuren ermittelt und überführt werden.

Auch beim Fall der ermordeten Geschwister Tom und Sonja aus Eschweiler könnte die Datenbank womöglich "besonders hilfreich" werden. Wer damit rechnen müsse, "aufgrund eines einzelnen Haares oder kleinster Hautpartikel eindeutig identifiziert zu werden", schrecke vor einer erneuten Straftat zurück, meinte der Minister. Schily plädiert nun für eine deutliche Ausweitung der Nutzung - der Kreis der zu erfassenden Personen soll vergrößert und die rechtlichen Voraussetzungen für die Speicherung von Identifizierungsmerkmalen gesenkt werden. Innerhalb der Bundesregierung wird darüber aber noch kontrovers debattiert. Der "rote Sheriff" setzt überdies auf eine europaweite Vernetzung, um gegen grenzüberschreitende Kriminalität besser vorgehen zu können.

Großbritannien als Vorbild für Deutschland

Laut BKA haben 20 Länder eine DNA-Datenbank eingerichtet. Deutschland besitzt nach Großbritannien die zweitgrößte. Zur Seite springt Schily der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU), für den die Briten Vorbild sind: Dort werden alle Personen einer DNA-Maßnahme unterzogen, die ein mit Freiheitsstrafe bedrohtes Delikt begangen haben. Bayern will sich im Bundesrat dafür einsetzen, "dass die DNA-Analyse standardmäßig durchgeführt wird", so Beckstein. Der Gentest müsse "der Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden".

Derzeit verfügt die Gendatenbank beim BKA über 225 000 Personen- und 36 500 Spurendatensätze. Seit der Einführung sind 9600 Abfragen gemacht worden. In 6600 Fällen haben Spuren einer Person konkret zugeordnet werden können, in 3000 Fällen seien Tatzusammenhänge erkannt worden. Der Innenminister drängt nun auf einen zügigen Ausbau der Datei, ist dazu jedoch auf die Bundesländer angewiesen. Bei einigen müsse "besser und mehr zugearbeitet werden", fordert Schily. "Einzelne Länder hinken hinterher."

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