Rouladen und Pokerface

BERLIN. (dpa) Werden sie sich einigen? Wenn ja, wann? In der Nacht, am Freitag, oder doch erst am Wochenende? Neuerlich sind SPD und CDU am Donnerstag in Berlin zusammengetroffen, um über eine große Koalition zu verhandeln.

Der Tag in der Hauptstadt beginnt neblig. Und das meint nicht nur das Wetter. 9.55 Uhr, CDU-Zentrale: Die Spitzen von Union und SPD kommen zusammen. Man will sich vorbereiten auf die anschließende große Runde. Circa 11 Uhr, Büros der engsten Mitarbeiter der Verhandlungsgruppe: Wichtige Eckpunkte werden in einem dicken Papier zusammengefasst, daraus soll der Koalitionsvertrag werden. Das Papier ist 118 Seiten stark. Darauf prangt: "Nicht kopieren." 11.48 Uhr, Adenauerhaus: Frage an Horst Seehofer (CSU), den designierten Agrarminister, was man denn nun erreichen werde? Seehofer: "Ich bin unwissend." 11.58 Uhr, Adenauerhaus, vor Beginn der getrennten Sitzungen: Die Unterhändler kommen in Limousinen, per Taxi oder zu Fuß. Um sie herum ein enger Korridor nervöser Journalisten.Meistgestellte Frage: Wie lange dauert es?

Die meist gestellte Frage: "Wie lange wird es dauern?" Die Antworten umreißen die Palette des Möglichen: "Wenn möglich heute Abend" (Wolfgang Tiefensee, designierter Verkehrsminister), "bis Samstag" (Ronald Pofalla, Unionsfraktionsvize). 12 Uhr: Union und SPD treffen sich zu weiteren Vorbereitungsrunden in der CDU-Zentrale. Kurz nach 12 Uhr: Man isst. Gereicht wird bürgerliche Kost, und zwar für alle: Roulade mit Salzkartoffeln und Blaukraut. 12.31 Uhr: Eine endgültige Einigung bereits in der kommenden Nacht wird unwahrscheinlich. Union und SPD gehen davon aus, dass erst im Laufe des Freitags alle strittigen Fragen geklärt werden können. Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla schließt sogar einen späteren Zeitpunkt nicht aus: "Stellen Sie sich mal auf Samstag ein." 14 Uhr: Ein breit lächelnder Kanzler Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Peter Struck treffen ein. 14.43 Uhr: Die Koalitionsverhandlungen werden in großer Runde fortgesetzt. 15 Uhr: Setzt sich nun fort, was so schon vor gut vier Wochen bei den Sondierungsgesprächen zwischen SPD und CDU begann? Auch damals sah es vor dem Wochenende so aus, als werde man sich nun gleich auf die Ressortverteilung in der neuen Bundesregierung und damit auf die formelle Aufnahme von Koalitionsverhandlungen einigen. Und dann zog es sich doch noch hin. Am Sonntag gab es nochmals ein Treffen der grundsätzlich Koalitionswilligen, am Montag folgten Gremiensitzungen - und erst dann die Einigung. Niemand konnte an diesem spätherbstlichen Donnerstag ausschließen, dass sich das nun ganz ähnlich wiederholen könnte. Am Montag jedenfalls muss alles fertig sein: Dann sollen Parteitage von CDU, CSU und SPD das Beschlossene absegnen.

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