Rumsfelds tiefer Fall

Von unserem Korrespondenten Friedemann Diederichs Washington . Donald Rumsfeld, der einstige Medien-Star der Bush-Regierung, erlebt in diesen Tagen einen tiefen Fall von der Popularitätsleiter.

Er zürnt, er poltert, er mahnt. Er eilt von Interview zuInterview, um Zuversicht zu verbreiten und Zweifel abzutöten:"Alles läuft gut, wir haben doch viel erreicht." Doch seineinstiger Witz und Charme sind einer bärbeißigen Verbissenheitgewichen. Je schlechter die Nachrichten von der Irak-Frontwerden, um so mehr verengen sich Donald Rumsfelds einst sospitzbübisch funkelnde Augen zu Schlitzen. Der Architekt derSchock-und-Schrecken-Offensive sitzt längst selbst inAbwehrstellung im politischen Schützengraben. Der Verteidigungsminister muss sich längst Gehässigkeiten wie diese gefallen lassen: "Ich weiß, dass sich unsere Falken um den Dienst in Vietnam gedrückt haben. Aber sie hätten ja wenigstens darüber ein Buch lesen können", schrieb "New York Times"-Kolumnistin Maureen Dowd. Vietnam - das amerikanische Trauma eines politisch fragwürdigen Krieges mit enormen Verlusten in den eigenen Reihen - beginnt sich nach nur zehn Tagen Irak-Offensive wieder in den Hinterköpfen von Politikern und Medienvertretern einzunisten.

Niemand wird mit der Strategie zum Sturz Saddam Husseins enger verknüpft als der Mann im Chefbüro des Pentagon. "Donald Rumsfeld hat alle militärischen Planungen an sich gezogen, jedes Detail abgesegnet", sagt Armee-General Norman Schwarzkopf. Mit jedem Tag werden die Versäumnisse Rumsfelds deutlicher. So erwiesen sich etwa die Annahme als falsch, die US-Truppen könnten die Städte Basra und Nasiriya gefahrlos links liegen lassen. Und ebenso die Kalkulation, die schiitischen Moslems in dieser Region würden den Befreiern zujubeln und sich gegen Saddam wenden.

Oberbefehlshaber Franks als Sündenbock

Rumsfeld ist, auch wenn er sich in den letzten Tagen eifrig am Verwischen der Fingerabdrücke versucht und bekräftigt, alle Wünsche der Militärs seien doch erfüllt worden, der eigentliche Architekt der Kriegs-Strategie. Insbesondere mit der Wirklichkeit vertraute Militärs empfinden Rumsfelds ständiges Lob für US-Oberbefehlshaber Tommy Franks als Versuch, jegliche Schuld am Kriegs-Dilemma von sich zu weisen. "Franks hat einen exzellenten Kriegsplan vorgelegt" - diese Aussage soll nach Ansicht politischer Beobachter vor allem dazu dienen, Franks als Sündenbock zu brandmarken und auch die Risiken ganz in die Hände der Militärführung zu legen.

Noch dementiert Franks offiziell ein Zerwürfnis mit Rumsfeld. Doch aus zahlreichen Quellen ergibt sich, dass sich Franks acht Monate lang mit dem Verteidigungsminister einen Kampf um Truppenstärke und Aufrechterhaltung der bis dahin als allgemein gültig anerkannten Powell-Doktrin geliefert hat. Diese lautete: Wenn sich die USA militärisch engagieren, muss dies mit klarem Ziel und überwältigender Macht geschehen.

Doch während Franks mit einer mindestens 250 000 Mann starken Invasionstruppe den Krieg beginnen wollte, war Rumsfeld zunächst nur zum Fronteinsatz von 150 000 Mann bereit - weitere 100 000 Soldaten sollten dann, wie es jetzt geschieht, bei Bedarf nachgeordert werden. Auch dem Wunsch Franks, vor einem Einsatz der Infanterie die irakischen Stellungen aus der Luft sturmreif zu bombardieren, erteilte Rumsfeld eine Absage. Ebenfalls wischte er Warnungen der CIA beiseite, Saddams Machtstruktur werde nicht so schnell zusammenbrechen. Nun steht Rumsfeld, der als Student seinen Freunden mit einarmigen Liegestützen imponierte, vor den Trümmern seines Projektes - und braucht alle Kraft zurSchadensbegrenzung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort