Runter vom Holzweg

Trier · Das Land will nur noch eigenes Holz vermarkten, nicht mehr das von Dörfern und Privatleuten - aus Angst vor Schadenersatzforderungen. Offen bleibt, wer in Zukunft den Wald pflegt.

Trier Die Deutschen lieben ihren Wald. Seine majestätischen Buchenhallen, knorrigen Eichenhaine und duftenden Douglasienforste. Er bietet Ruhe, frische Luft, Verstecke für Wildkatzen, Wanderwege, Speisepilze, jede Menge Holz und daher auch jede Menge Arbeitsplätze: Mehr als 50 000 Rheinland-Pfälzer arbeiten in der Forst-, Holz- oder Papierindustrie.
Weil der Wald vielen wichtig ist, rechnet Stefan Schaefer, Sprecher des Gemeinde- und Städtebunds, damit, dass in mehr als 2000 rheinland-pfälzischen Gemeinden ebenso wie in den Waldbauvereinen bald heftig diskutiert wird. Über die Fragen: Wer wird unser Holz künftig verkaufen? Und: Wer wird sich um unseren Wald kümmern?

Das Problem mit dem Kartellamt: Aktuell bietet die Behörde Landesforsten nicht nur das Holz aus dem eigenen Staatswald an, sondern auch jenes von Privatleuten und Kommunen. Mehr als 90 Prozent der Gemeinden haben den staatlichen Forstämtern die Aufgabe übertragen, ihre Wälder zu bewirtschaften und ihr Holz zu vermarkten. Hat der zentrale Holzmarktservice in Verhandlungen mit den Sägewerken doch eine starke Position: Da das Land einen Großteil des verfügbaren Rohstoffs bündelt, kann es Preise und Verkaufskonditionen zu seinen Gunsten gestalten. Es hat die Marktmacht eines Monopolisten - und die Industrie das Nachsehen. Noch gab es deswegen keinen Ärger. Ein Kartellverfahren gegen Baden-Würtemberg, wo es ähnliche Strukturen gab, zeigt jedoch, wie ernst die Lage ist.
"Da ist echter Druck im Kessel", sagt Schaefer. Auch Wolfgang Schuh vom rheinland-pfälzischen Waldbesitzerverband spricht von einer gefährlichen Situation. "Große Kanzleien stehen Gewehr bei Fuß, um für Sägewerke zu klagen."
Und die Frage sei ja auch: Wer muss die Schadenersatzforderungen der Holzindustrie begleichen, die laut Schuh im hohen zweistelligen Millionenbereich liegen könnten? Nur Landesforsten? Oder eventuell auch Kommunen und Privatleute, die Wald besitzen? "Das ist eine reale Gefahr." Von allen Seiten wurde daher zuletzt Druck auf das Land ausgeübt.

Die Lösung: "Dass der Holzverkauf nicht so weitergeht wie bisher, war uns klar", sagt Peter Wind, Leiter des Prümer Forstamts. Um einem Kartellverfahren zu entgehen, haben sich alle Beteiligten entschieden, die Vermarktung komplett neu zu organisieren. Das Land wird nur noch sein eigenes Holz veräußern sowie in Ausnahmefällen jenes von Privatleuten, die weniger als 100 Hektar Wald besitzen - wenn es für diese keine zumutbare Alternative gibt.
Ein Eckpunktepapier von Forstministerium, Gemeinde- und Städtebund und Waldbesitzerverband zeigt, wie das funktionieren könnte: Um für mehr Wettbewerb zu sorgen, sollen flächendeckend übers Land verteilt bis zum 1. Januar 2019 sechs kommunale Verkaufsorganisationen (mit einem Gesamtumsatz zwischen je 15 bis 20 Millionen Euro) gegründet werden. Zu kleinteilig darf das Ganze nämlich auch nicht werden, weil es für große Sägewerke sonst aufwendig wird, die benötigten Mengen zu beschaffen. Über Startschwierigkeiten will das Land mit einer Anschubfinanzierung hinweghelfen. Zudem ist geplant, dass erfahrene Verkäufer von Landesforsten in die neuen Organisationen wechseln. Auch Privatwaldbesitzer sollen ihr Holz über diese verkaufen können. Genaueres steht noch nicht fest.
"Das ist alles nicht ganz einfach angesichts der Tatsache, dass wir 2000 waldbesitzende Gemeinden haben", sagt Aloysius Söhngen, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Prüm und stellvertretender Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes. 2019 sei eine sehr ambitionierte Zeitvorgabe, findet auch Schuh.
Immerhin: "Für den Bürger wird sich nix ändern", sagt Schaefer. Auch Wind betont, dass Kaminholz für das Kartellamt keine Rolle spiele, da die Gemeinderäte die Brennholzpreise selbst bestimmen.
Alle Beteiligten sind zufrieden mit der Lösung, denn das Kartellamt begrüßt sie. Die Gefahr ist damit erst mal gebannt. Dieser Konsens sei wichtig und eine gute Nachricht, sagt Forstministerin Ulrike Höfken. "Das ist der geringstmögliche Eingriff in bestehende Strukturen", findet Soehngen. "Wir sind froh, dass man dieses Problem im konstruktiven Dialog mit dem Kartellamt löst", sagt Schuh. "Was positiv ist: Wir ziehen an einem Strang", betont Schaefer. Und auch der Verband der rheinland-pfälzischen Säge- und Holzindustrie begrüßt die Pläne.

Die Folgen für den Markt sind schwer abzusehen. Der Trierer Forstamtsleiter Gundolf Bartmann geht davon aus, dass die Seite des Verkäufers (wie vom Kartellamt gewünscht) geschwächt wird. Dank der bisherigen Organisation habe man Spitzenpreise für Rundholz erzielen können. Damit, dass die Preise drastisch sinken, rechnet er allerdings nicht. Holz sei ein "Megatrend". Wegen der guten Konjunktur und der Energiesparziele werde viel gebaut. Bartmann prognostiziert, dass Nachfrage und Preise eher noch steigen.

Die privaten Holzvermarktungs-GmbHs bleiben bestehen und werden weiter gefördert. Anders als in anderen Landesteilen verkaufen viele Privatwaldbesitzer der Region ihr Holz gemeinsam über extra dafür gegründete GmbHs. Den Anstoß dazu gab ebenfalls das Kartellamt. Dieses verpflichtete Rheinland-Pfalz 2008 zu fünf Pilotprojekten, die für mehr Wettbewerb sorgen sollten. Darunter waren die Eifel Wald und Holz Management GmbH in Bitburg sowie ähnliche Dienstleister in Daun und Prüm.
Das klassische Gemeinschaftsforstamt bleibt - so jedenfalls die Hoffnung aller Beteiligten -, wie es ist. Denn den aktuellen Plänen zufolge wird die Holzvermarktung komplett von der Waldpflege und der Holzbereitstellung getrennt.
Der rheinland-pfälzische Wald ist extrem kleinteilig. Kleinste private Parzellen liegen direkt neben Staats- und Gemeindewald. Das macht manches kompliziert. Vereinfacht wird es dadurch, dass sich in Rheinland-Pfalz 44 staatliche Forstämter um sämtliche Flächen kümmern - egal, wem diese gehören. Und Förster hoffen sehr, dass das so bleibt. Betrachten sie den Wald doch als Gesamtsystem, das nachhaltig zu bewirtschaften ist und weit mehr Funktionen erfüllt als nur Holz zu liefern. Endgültig gerettet ist das Modell allerdings nicht. Für kommendes Frühjahr wird ein Urteil des Bundesgerichtshofs erwartet, das über die Zukunft der Forstämter entscheidet.

Der Prozess: Genau wie Rheinland-Pfalz vermarktete Baden-Württemberg auch Holz von Gemeinden und Bürgern. Ein großes Sägewerk hat deswegen 2002 Beschwerde beim Kartellamt eingereicht. Es fühlte sich benachteiligt.
Das Bundeskartellamt hat dem Land 2015 untersagt, diese Aufgabe für andere Waldbesitzer zu erfüllen. Auch "vermarktungsnahe" Waldarbeiten wie Holzkennzeichnung oder -ernte dürfen die Förster nicht mehr für Private und Kommunen erledigen. Ausgenommen sind nur Forstbetriebe, die weniger als 100 Hektar groß sind.
Hinnehmen wollte das Bundesland dies nicht und hat daher Klage eingereicht, die vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verhandelt wurde. Doch genau wie die Wettbewerbsbehörde sehen die Richter im gebündelten Verkauf des Holzes ein "verbotenes Vertriebskartell", das den freien Wettbewerb verfälsche. Auch Dienstleistungen wie die jährliche Betriebsplanung oder der Revierdienst seien kartellrechtlich verboten. Denn durch diese Arbeiten habe Baden-Württemberg Einfluss auf die Frage, wie viel Holz einer bestimmten Qualität zu einem bestimmten Zeitpunkt verkauft werde. Das beeinträchtige den freien Wettbewerb, finden die Richter. Auch von einem "Geheimwettbewerb" könne keine Rede mehr sein, wenn das Land Einblick in und Einfluss auf die Planungen konkurrierender Waldbesitzer habe.
Noch während der Prozess lief, veranlasste Rheinland-Pfalz eine Änderung des Bundeswaldgesetzes: Alle Arbeiten, die der Holzvermarktung vorausgehen, sind nun von einer kartellrechtlichen Überprüfung ausgeschlossen. So hoffte man, die Gemeinschaftsforstämter zu schützen. Die Richter hat dies allerdings nicht beeindruckt. Sie finden, dass die Bundesrepublik nicht berechtigt ist, europäisches Kartellrecht zu regeln. Das neue Bundeswaldgesetz sei europarechtswidrig und daher nicht zu beachten. Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden. "Eventuell geht es auch noch weiter an den Europäischen Gerichtshof", sagt Schaefer, der damit rechnet, dass sich das Verfahren dann weitere drei Jahre hinzieht.
Wittlichs Bürgermeister Joachim Rodenkirch ärgert es, dass der Wald bei alledem nur kartellrechtlich betrachtet wird. "Er ist kein Industriebetrieb, kein Warenlager, keine Produktionsstätte", sagt der gelernte Förster. Der Wald stelle auch Produkte her, die man gar nicht verkaufen könne: frische Luft, Raum für Tiere und Erholung für den Menschen.
Man dürfe über die ganze Diskussion nicht vergessen, um welch wertvolles Gut es gehe.

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