SPD-Parteirat stärkt Kurt Beck den Rücken

Einmütig, bei nur zwei Gegenstimmen, hat der SPD-Parteirat gestern die Linie von Parteichef Kurt Beck im Umgang mit der Linkspartei bestätigt: Keine Kooperation mit ihr im Bund, aber die Länder sind in ihrer Entscheidung frei.

Berlin. Am Vorsitzenden wird in der SPD zurzeit nicht gerüttelt. Mit der klaren Entscheidung des Parteirats am Montag, Kurt Beck den Rücken zu stärken, scheint vordergründig die aktuelle Führungskrise entschärft zu sein. Doch der Flügelstreit schwelt weiter. In einer stundenlangen Debatte, in der sich 30 Funktionäre aus den Landesverbänden zu Wort meldeten, entlud sich der Unmut vor allem über die Vertreter des rechten Flügels, allen voran Parteivize Peer Steinbrück. Der hatte in Interviews vor einer Tolerierung durch die Linkspartei in Hessen gewarnt, nachdem der Parteivorstand auf Becks Betreiben hin beschlossen hatte, dass die westdeutschen Landesverbände in dieser Entscheidung frei sind. Viele Redner beschwerten sich darüber, dass die Parteispitze nicht geschlossen hinter diesem Beschluss gestanden und so die aktuelle Führungsdebatte ausgelöst habe. Von "missverständlichen Interviews" sprach Parteiratschef Claus Möller und bekannte: "Ja, der Name Steinbrück ist auch gefallen". Gemeint war mit der Kritik aber auch Steinbrücks Kollege als Parteivize, Frank-Walter Steinmeier, der für den erkrankten Beck die Sitzung leitete. Wie das Tief "Emma" sei die negative Medienberichterstattung über die Partei hinweggezogen, meinte Möller. Steinmeier sprach von einer "unglücklichen medialen Selbstdarstellung", an der freilich nicht einzelne schuld seien. Im Ergebnis wurde der erst eine Woche alte Parteivorstands-Beschluss zwar eindrucksvoll bestätigt, doch gab es Akzentverschiebungen in seiner Interpretation. So betonte Steinmeier gleich zu Beginn der Sitzung, dass der Beschluss nicht nur daraus bestehe, den Landesverbänden freie Hand im Umgang mit der Linken zu geben. Vielmehr gehöre auch die Formulierung dazu, dass man in Hessen zuerst Gespräche mit FDP und Grünen suche. Und zweitens, dass es zur Linken im Bund "unüberbrückbare" inhaltliche Unterschiede gebe. Diese Sprachregelung vertrat hinterher auch die Parteilinke Andrea Nahles. Die Medien-Gerüchte von einer angeblichen Verabredung Steinmeiers und Steinbrücks, Beck als Kanzlerkandidaten zu verhindern, kamen nicht zur Sprache. Das hatten beide schon in der Präsidiumssitzung kurz vorher als Unfug bezeichnet. Überhaupt fiel das Wort Kanzlerkandidatur nicht einmal. Man wolle die Debatte "entpersonalisieren", sagten viele Teilnehmer. Konkret auf Hessen bezogen aber geht der Flügelstreit weiter. So bekannte Steinmeier, er sei "in der Tat skeptisch" gegenüber einer Zusammenarbeit mit den Linken im Wiesbadener Landtag. Er appellierte an die FDP, ihrer "demokratischen Verantwortung" gerecht zu werden und eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen einzugehen. Auch der Sprecher des Seeheimer Kreises der Parteirechten, Klaas Hübner, hält für entscheidend, was Ypsilanti nun macht. Die Debatte sei nicht vorbei. "Real hat sie gar nicht die Freiheit, sich von den Linken tolerieren zu lassen. Dazu waren ihre Festlegungen vor der Wahl zu eindeutig", meinte Hübner gegenüber unserer Zeitung. In der Parteiratssitzung bat Ypsilanti um Vertrauen. Die Versuche, mit der FDP ins Gespräch zu kommen, seien sehr ernsthaft und weiter gediehen, als öffentlich wahrnehmbar sei, berichtete sie. Teilnehmer hatten den Eindruck, dass Ypsilanti zunehmend das Abenteuer einer geheimen Wahl ohne stabile Mehrheit fürchtet. Mit einigem Bangen blickt die Bundes-SPD nun auf den 5. April, wenn der hessische Landtag zum ersten Mal zusammentritt und die Wahl des Ministerpräsidenten auf der Tagesordnung steht. Dann könnte der Streit wieder losgehen. Meinung Vorläufig gerettet In der SPD haben sich gestern alle hinter ihren Vorsitzenden gestellt. Oder mussten sich stellen. Sehr eindrucksvoll auch der Parteirat, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Denn es gibt derzeit keine Alternative zu Kurt Beck. Eine Fortsetzung der Personaldebatte wäre politische Selbstverstümmelung gewesen. Beck hat seinen schweren Fehler also einstweilen überstanden. Wenn er das auch von seiner Grippe sagen kann, dann allerdings wird er nacharbeiten müssen. Momentan ist er ungefähr da, wo er vor dem Hamburger Parteitag im Oktober 2007 war. Ein Vorsitzender, dem längst nicht alle in den eigenen Reihen eine Kanzlerschaft und entsprechende Führungsqualitäten zutrauen. In der Wählerschaft noch weniger. Dazu eine Partei, die so fragil ist, dass ein paar Interviews sie umpusten, auch, weil sich das Spitzenpersonal gegenseitig nicht traut. Beck selbst hat sich und seine SPD mit seiner chaotischen Strategie in Sachen Hessen zurückgeworfen. Um ein halbes Jahr. Mindestens. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort