SPD-Wahltriumph mit Beck-Bonus

MAINZ. Jubel bei Kurt Beck und den Genossen: Zum dritten Mal hintereinander haben sie nicht nur die Mainzer Staatskanzlei erfolgreich verteidigt. Mit der vermutlich absoluten Mehrheit haben sie dem struktur-konservativen Rheinland-Pfalz einen roten Stempel aufgedrückt. Die SPD hat alles auf die Popularitäts-Karte Beck gesetzt – und der Trumpf hat gestochen.

Optimismus pur und aufgeräumtes Flachsen herrschten bereits vor 18 Uhr in den Räumen der SPD-Landtagsfraktion: Ergebnisse der unveröffentlichten Wahlnachfrage vom Tage machten bereits die Runde und signalisierten sogar noch ein Plus für die SPD zum Spitzenergebnis von 2001 und einen weiteren Absturz der Christdemokraten. Um Punkt 18 Uhr kannte dann der Jubel keine Grenzen mehr, als die Prognosen von 46 Prozent über die Bildschirme flimmerten. Fraktionschef Joachim Mertes kam gar nicht zu Wort, um bei aller Freude auf die Euphorie-Bremse zu treten: "Prognosen sind ein schöner Schein, wie der Schaum auf dem Bier. Die Realität wird anders aussehen", versuchte er zu mahnen. Doch das rhythmische Klatschen wollte kaum mehr aufhören. "Programm, Partei und Personen haben gepasst", übte sich ein freudig strahlender Ministerpräsident in demonstrativer Bescheidenheit. Doch der Stolz über das hervorragende Ergebnis stand ihm ins Gesicht geschrieben. Trotz des grandiosen Wahlsieges will er mit den Liberalen reden. "Der Anstand gebietet es nach 15 Jahren Koalition", stellt er dazu fest. Ob daraus jedoch Koalitionsgespräche werden, ist zweifelhaft. Der Wahlsieg ist allein Becks Sieg, heißt es allerorten in der Partei. Der Regierungschef drückt es anders aus: "Die Bundespolitik spielte bei der Wahl keine Rolle, es ging allein um Landesthemen." Becks Gewicht wird dadurch nicht nur im Land weiter zunehmen, sondern auch auf Bundesebene. Entgegen allen bundesweiten Trends hat er in Rheinland-Pfalz demonstriert, dass es noch durchaus möglich ist, absolute Mehrheiten zu erhalten. Dabei hatten die SPDler vor Wochen noch mit durchaus bangem Blick die Landtagswahl im Visier: Nach der Bildung der großen Koalition in Berlin stürmte Kanzlerin Angela Merkel auf der Sympathie-Rangliste fulminant auf Platz eins.Noch vor Wochen bange Blicke

Die Umfragewerte der CDU stiegen beachtlich - und für die Genossen beängstigend - in die Höhe. Auch in Rheinland-Pfalz profitierte die Union von verbesserter Stimmung und Kanzlerinnen-Bonus, als es plötzlich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zu kommen schien. Die Siegesgewissheit über einen politischen Gegner, der sich über viele Monate in einem verbissenen Kampf um die Spitzenkandidatur fast selbst zerfleischt hatte, und dem auch noch das wählerwirksame rot-grüne Feindbild einer ungeliebten Bundesregierung abhanden gekommen war, hatte sich über Nacht in Luft aufgelöst. In den letzten vierzehn Tagen vor der Wahl spiegelten die Stimmungsmessungen jedoch weitgehend die alten Werte vor der Bundestagswahl wider und sorgten für eine so verbreitete Siegeszuversicht in der Partei, dass es Beck bereits wieder zu viel wurde. Bis zum Schluss musste er gegen eine Stimmung in der Anhängerschaft ankämpfen, die die Wahl schon als gelaufen ansah und damit zum Mobilisierungshemmer zu werden drohte. Mit dem "Beck-Bonus" im Hinterkopf machte sich in der eigenen Partei Siegessicherheit breit - die am Ende nicht täuschte.

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