"Sadistischer und krimineller Missbrauch"

Washington. Es sind Bilder, die Amerika erschüttern: Soldaten misshandeln irakische Gefangene. Die Veröffentlichungen sorgen für Unruhen im Irak und Empörung in der Heimat.

"Wir haben eine hohe Erfolgsrate mit den Methoden, ihren Widerstand zu brechen." Diese Worte schrieb US-Sergeant Ivan Frederick schon im Dezember vergangenen Jahres in einer Email aus Bagdad an seine Familie in den USA. Fredericks Einheit war für die Bewachung irakischer Gefangener in der unter Saddam Hussein berüchtigten Abu Ghraib-Haftanstalt in der irakischen Hauptstadt zuständig - und sieht sich heute mit dem Vorwurf konfrontiert, die Inhaftierten mit teilweise sadistischen Misshandlungen gequält zu haben. Wer den Auftrag dazu gab, wird aus der Heimatpost des US-Soldaten ebenfalls deutlich: "Ich habe unsere Vorgehensweise in Frage gestellt und die Antwort bekommen: Der militärische Geheimdienst will, dass wir so vorgehen."Ermittlungen laufen seit Februar

Seit Februar waren dem US-Verteidigungsministerium, das steht heute fest, die Vorgänge in einem speziellen Zellenblock der Haftanstalt bekannt. Denn seit diesem Zeitpunkt ermittelte das Pentagon intern zu den Übergriffen, die jetzt in erschütternden Bildern der Öffentlichkeit bewusst wurden: Nackte Gefangene, in Pyramidenform übereinander gestapelt, dazu grinsende Bewacher. Oder das Foto eines auf einer kleinen Kiste stehenden Häftlings, dessen Kopf in einem Sack steckt und an dessen Händen Drähte befestigt wurden. Wenn er von der Kiste steige, so war dem Mann klar gemacht worden, werde er einen tödlichen Stromschlag erleiden. Dass diese Aufnahmen nur die Spitze eines Eisbergs sind, wurde am Wochenende klar. Das "New Yorker Magazine", eine populäre Monatszeitschrift in den USA, dokumentierte erstmals Einzelheiten aus einem 53-seitigen Untersuchungsbericht des US-Verteidigungsministeriums, der neue schockierende Details zutage förderte, von mindestens 20 betroffenen Häftlingen ausgeht und auch entsprechende "unglaublich drastische" Fotos als Beweismittel enthalten soll. So hätten US-Soldaten Eiswasser und phosphorhaltige Flüssigkeit, die Hautreitzungen verursacht, über Gefangene geschüttet. Häftlinge seien mit Besenstielen und einem Stuhl geschlagen, in Einzelfällen mit einem Leuchtstab und vermutlich auch einem Besenstiel sexuell missbraucht worden. Dazu habe noch ein medizinisch nicht ausgebildeter Wärter mit einfachen Mitteln die Kopfwunde eines Gefangenen genäht, nachdem dieser gegen eine Zellentür geschleudert worden war. Der Untersuchungsbericht spricht deshalb von einem "sadistischen und eklatant kriminellen Missbrauch." Dem Pentagon wäre es vermutlich gelungen, diese Übergriffe vor der breiten Öffentlichkeit zu verbergen, hätte nicht im Februar einer der Bewacher mit der brutalen Vorgehensweise geprahlt und Fotos einem befreundeten Soldaten gegeben. Dieser informierte Vorgesetzte und war vermutlich auch die Quelle für den US-Fernsehsender CBS, der am Donnerstagabend vergangener Woche erstmals Bilder aus Abu Ghraib ausgestrahlt und damit einen weltweiten Aufschrei der Empörung ausgelöst hatte. Zuvor hatten Pentagon-Vertreter wochenlang, aber letztlich vergeblich an die Anstalt appelliert, wegen der brisanten Lage im Irak auf eine Ausstrahlung zu verzichten. Gegen mindestens 17 Armeeangehörige wird derzeit ermittelt, sieben von ihnen müssen sich bereits vor einem Militärgericht verantwortlichen. Der für das Gefängnis verantwortlichen US-Brigadegeneralin Janis Karpinski wurde mittlerweile das Kommando entzogen. Sie wehrt sich allerdings gegen die erhobenen Vorwürfe und argumentiert, die Übergriffe seien nicht in ihrem Dienstbereich vorgefallen.Militär-Geheimdienst kontrollierte Zellenblock

Vielmehr habe der Hochsicherheitstrakt, wo die Misshandlungen stattfanden, unter der Kontrolle einer eigenständigen Gruppe des Militär-Geheimdienstes gestanden, die sich gegen Kontrollen des Zellenflügels mit dem Argument gewehrt hätten, man dürfe die laufenden Verhöre nicht stören. Die Brigadegeneralin wirft dem Pentagon nun vor, sie und ihre Untergebenen zum Sündenbock machen zu wollen und alle Schuld der Militärpolizei - also den direkten Bewachern der Häftlinge - in die Schuhe schieben zu wollen. US-Präsident George W. Bush hatte am Freitag erklärt, die Vorfälle seien "abscheulich", doch es sei nur eine kleine Anzahl von Armeeangehörigen dafür verantwortlich.

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