Sanfte Töne im Reformstreit

BERLIN. Von "Abweichlern" will SPD-Fraktionsvize Michael Müller nicht reden. Vielmehr hätten einige Bundestagsabgeordnete ihre "Anregungen" zu den geplanten Arbeitsmarkt-Gesetzen formuliert.

"Diesmal haben wir ein konstruktives Verfahren", resümiert Müller, der auch Sprecher der Parlamentarischen Linken ist. Der vorsichtige Optimismus kommt nicht von ungefähr. Bereits am Wochenende hatten Fraktionsobere die Reformkritiker in den eigenen Reihen mit sanften Tönen umworben. "Einige Veränderungen sind ja durchaus möglich", ließ Generalsekretär Olaf Scholz wissen. Die gestrige Vorstandssitzung im Willy-Brandt-Haus galt dafür als Stimmungstest. Eigentlich konnte es nur noch besser werden, nachdem die gleiche Runde vor einer Woche tief zerstritten auseinander gegangenen war. Diesmal fehlte dafür schlicht der Anlass. "Die kontroversen Themen standen ja nicht auf der Tagesordnung", sagte DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer nach der Sitzung. Besagte "Anregungen" der Dissidenten wurden nach Angaben von Generalsekretär Olaf Scholz nur "ganz kurz am Anfang" behandelt. Unter den Absendern seien auch "viele", die den Gesetzen "in jeder Variante" zustimmen würden. Wie viele Abgeordnete sich überhaupt mit Nachbesserungswünschen zu Wort gemeldet haben, war nach Angaben von Sitzungsteilnehmern aber nicht einmal hinter verschlossenen Türen zu erfahren. Fraktionsvize Müller sprach gegenüber unserer Zeitung von "20 bis 25" Schreiben, die ihn persönlich erreicht hätten. Fraktionschef Franz Müntefering hüllte sich hingegen in Schweigen. Aber auch er machte in der Vorstandssitzung klar, dass es bei den Gesetzentwürfen noch zu "Korrekturen" kommen werde. Allerdings sollten sich die Rebellen "keiner Illusion hingeben". Soll heißen: Die Änderungen dürften sich in engen Grenzen halten. Die Briefe an die Fraktionsführung zielen im Kern auf drei Bereiche: Zum einen geht es um die Höhe des geplanten Arbeitslosengeldes II, das aus der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe resultiert. "Dieser Betrag darf nicht nur auf Sozialhilfeniveau hinauslaufen", fordert etwa der Juso-Vorsitzende Niels Annen. Zum anderen geht es um die Zumutbarkeitskriterien für die Aufnahme einer Arbeit sowie um die Anrechenbarkeit des für das Rentenalter angesparten Vermögens beim Arbeitslosengeld II. Am morgigen Mittwoch soll es noch eine Experten-Anhörung zu den so genannten Hartz-Gesetzen geben. Am kommenden Montag wird die SPD-Fraktion dann per Sondersitzung endgültig über die Änderungen entscheiden. Mit diesem Verfahren erhoffen sie sich einen zusätzlichen Disziplinierungseffekt, um die viel beschworene "eigene Mehrheit" zu stemmen. "Wer dann immer noch nein sagt, hat jede Glaubwürdigkeit verloren", hieß es in Fraktionskreisen. Die entscheidende Abstimmung im Bundestag findet am 17. Oktober statt.

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