"Schööler" außer Rand und Band

Die Gewalt in der Schule nimmt zu: Allein in Berlin wurden im Jahr 2006 374 Lehrer tätlich angegriffen. Neuerdings registrieren Schulexperten auch psychologische Drangsalierungen, im Fachjargon "Cyberbullying" oder "Cyber-Mobbing" genannt.

Berlin. Dass schon frühere Schülergenerationen keine Unschuldslämmer waren, wenn es gegen die Lehrerschaft ging, zeigt sich im Ufa-Klassiker "Die Feuerzangenbowle". Nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind es allerdings längst nicht mehr derbe Streiche, die den Pädagogen das Leben schwer machen. So entdeckte jüngst ein Berliner Lehrer durch Zufall ein beleidigendes Gedicht über sich, das von Schülern ins Internet gestellt worden war. Provozierte Wutausbrüche von Lehrern, die Schuler heimlich mit ihrer Handy-Kamera filmen, sind ebenfalls im Web zu finden. Und besonders perfide wird es, wenn die Köpfe von Pädagogen in Pornovideos montiert oder mit ihnen gar Erschießungen im Internet simuliert werden. "Grundsätzlich ist die Hemmschwelle niedriger geworden", konstatiert die Berliner Schulpsychologin Aida Lorenz und fordert "Null Toleranz" gegen solche Formen der Gewalt. Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne klagte gestern vor Journalisten in Berlin, dass die Gesellschaft keine Antwort auf die Perversionen der neuen Technik habe. So würden Gelder für Präventionsmaßnahmen kontinuierlich gekürzt. Und "an allen Ecken und Enden" fehlten Schulpsychologen sowie Sozialarbeiter, kritisierte Thöne.Was im Leben verboten ist, ist auch im Internet verboten

Andererseits ist die Ziehung der Grenze nicht einfach, an welcher Stelle der Internet-Spaß aufhört und das Mobbing beginnt. Erst kürzlich hatte ein Kölner Gericht entschieden, dass die Bewertung von Lehrern auf einer Internet-Plattform wie "Spickmich.de" eine zulässige Meinungsäußerung darstellen kann. In einer Studie zur Gewalt gegen Lehrer im Freiburger Raum, die bald veröffentlicht werden soll, wird das Problem nicht gesondert erfasst. Die GEW verweist auf eine aktuelle Umfrage der englischen Lehrergewerkschaft, wonach 17 Prozent ihrer Pädagogen schon mindestens einmal per Handy, E-Mail oder im Internet belästigt worden sind. Eine entsprechende Erhebung will die GEW auch für Deutschland initiieren. Gewerkschaftschef Thöne machte sich darüber hinaus für einen "Verhaltenskodex" an Schulen sowie "klare gesetzliche Regelungen" zum Mobbing-Schutz stark. Nach Ansicht von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) reichen die gesetzlichen Sanktionsmöglichkeiten jedoch aus, um gegen solche Demütigungen vorzugehen. "Wir beobachten das, aber generell gilt, was im wirklichen Leben verboten ist, ist auch im Internet verboten", sagte Zypries. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft (GdP), Konrad Freiberg, warnte davor, sich zu sehr auf die Strafverfolgung zu konzentrieren. "Wer Polizei und Staatsanwaltschaft einschaltet, muss wissen, dass er damit die eigenen Handlungsmöglichkeiten begrenzt". Zuerst müsse das Problem in den Schulen angegangen werden. Dafür gibt es Beispiele. Was GEW-Chef Thöne "Verhaltenskodex" nennt, existiert etwa an der Werner-Stephan-Hauptschule in Berlin schon als "Versprechen der Schulgemeinschaft". Der von Klassensprechern erarbeitete Katalog sieht vor, dass Handys in der Schule ausgeschaltet und in den Taschen bleiben müssen. Bei Zuwiderhandlungen hätten die Schüler "Konsequenzen" zu tragen.

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