Schlapphut-Initiative wirbelt Staub auf

BERLIN. Mehr Befugnisse für Geheimdienste? Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz fordert den Zugriff auf Reisedaten. Grüne und FDP sind dagegen, die Union ist skeptisch.

Die Sozialdemokraten haben die Diskussion über geeignete Maßnahmen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus neu entfacht. Nach Ansicht ihres innenpolitischen Sprechers Dieter Wiefelspütz müssen die deutschen Geheimdienste größere Ermittlungsspielräume erhalten. Die Grünen lehnen die Idee strikt ab. Auch die FDP wehrt sich "gegen den weiteren Abbau von Bürgerrechten". Die Union nutzt die Gelegenheit, um alte Sicherheits-Forderungen neu aufzupolieren. Bereits vor vier Jahren waren die politischen Fronten ähnlich verlaufen. Im Zuge des Anschlags auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 hatte Innenminister Otto Schily (SPD) ein "Sicherheitspaket" geschnürt, das auch mehr Kompetenzen für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst vorsah. Durch die so genannten Anti-Terror-Gesetze dürfen die Schlapphüte zum Beispiel auf Daten von Fluggesellschaften zugreifen und bei Banken unter bestimmten Bedingungen Auskünfte über Kontenbewegungen verlangen. Doch Wiefelspütz will mehr. "Wenn es darum geht, gezielte Informationen zur Terrorabwehr zu gewinnen, sollten die Geheimdienste auch bei Autovermietern, Reisebüros oder Bahnunternehmen direkt auf Buchungsdaten zugreifen können", erklärte er in einem Interview. Außerdem sei müsse das Verfahren der Kontenabfrage vereinfacht werden. Auf Nachfrage unserer Zeitung betonte Wiefelspütz, dass es nicht um eine "hysterische Sammelwut" gehe, sondern um "konkrete Anhaltspunkte", die ein entsprechendes Eingreifen rechtfertigten. "Wenn der Geheimdienst Hinweise auf eine Person bekommt, die im Verdacht steht, zum terroristischen Umfeld zu gehören, dann werden auch bei Mietwagenfirmen Daten abgefragt." Ermittlungen "ins Blaue hinein" seien ohnehin aus verfassungsrechtlichen Gründen verboten. Die Grünen kann das nicht beruhigen. "Ein erweiterter Zugriff der Geheimdienste auf Kundendaten privater Unternehmen ist weder erforderlich noch verhältnismäßig", so die Innenexpertin Silke Stokar. In konkreten Verdachtsfällen könne die Polizei bereits jetzt ermitteln. Der innenpolitische FDP-Sprecher Max Stadler argumentiert ähnlich: "Eine Einsicht in Reisedaten ist auch immer ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte". Wiefelspütz' Plädoyer für mehr Geheimdienstbefugnisse lasse weder Raum für die richterliche Überprüfung noch für eine Verfahrenskontrolle durch das parlamentarische G-10-Gremium. Auch die Union ist über den Vorstoß wenig erbaut. Zwar hätten CDU und CSU schon vor vier Jahren am liebsten schärfere Anti-Terror-Maßnahmen gehabt. Doch die Ideen von Wiefelspütz waren damit nicht gemeint. "Wenn die Ermittlungsmöglichkeiten erweitert werden sollen, dann muss auch der Sicherheitsgewinn erkennbar sein. Das fehlt bei Wiefelspütz", bemängelte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach. "Was nützt es, wenn ein Dienst weiß, dass eine Person ein Auto gemietet und 400 Kilometer gefahren hat?", fragt sich der CDU-Politiker. Das Ziel der Reise bleibe trotzdem verborgen. Als wirksame Maßnahme gegen den Terrorismus betrachtet Bosbach insbesondere die Wiedereinführung der vor sechs Jahren abgeschafften Kronzeugenreglung. Danach konnte ein Täter auf mildernde Umstände hoffen, wenn er den Behörden über sich und sein kriminelles Umfeld Rede und Antwort stand.

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