Schluss mit glücklichen Hühnern

Berlin. Die Vogelgrippe ist zum Top-Argument für die Käfighaltung von Hühnern als vermeintlichem Virenschutz geworden. Der begraben geglaubte Streit über die Käfige ist erneut voll entbrannt.

Renate Künast war richtig euphorisch. "Der Ausstieg aus der Käfighaltung kann beginnen", sah die grüne Verbraucherschutzministerin 2001 weit und breit nur noch glückliche Hühner herumflattern. Bundestag und Bundesrat hatten damals gegen den Widerstand der Union das Verbot der Haltung in Käfigbatterien abgesegnet. Seitdem herrscht an der Eierfront aber keineswegs Ruhe. Unter dem Druck vieler Geflügelhalter machten die Agrarminister der Länder immer mal wieder gegen die "Legehennenverordnung" der damaligen Ministerin mobil. Freiland-Halter stehen dumm da

Nach zahlreichen vergeblichen Anläufen könnte es ihnen jetzt tatsächlich gelingen, Künasts Erbe zu zerdeppern - dank der Vogelgrippe. Beispiel Till Backhaus (SPD), der wegen seines Vogelgrippe-Krisenmanagements in der Kritik stehende Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern. Wegen ihrer "ideologisch verbrämten" Vorbehalte gegen die Käfighaltung, schimpfte er unlängst, habe Künast verhindert, dass art- und tierschutzgerechte Käfige entwickelt worden seien, die auch Ökolandwirten gerecht würden. "Frau Künast hat den Biobauern einen Bärendienst erwiesen", lästerte Pro-Käfig-Mann Backhaus. Zumindest stimmt, dass Geflügelbetriebe mit Boden- und Freilandhaltung wegen der Seuche nun dumm dastehen, während die Besitzer von Legebatterien und die Käfiglobby insgesamt Morgenluft wittern. Der brandenburgische Landwirtschaftsminister Dietmar Woidke (SPD) geht zur Freude großer Teile der Geflügelwirtschaft sogar noch einen Schritt weiter: Wegen der Vogelgrippe sagt er bereits das Ende des Freilandeis (Marktanteil: 23 Prozent) und eine "unbegrenzte Stallpflicht" voraus. Schon fürchten die Grünen um die Früchte ihrer Regierungspolitik: Die Vogelgrippe werde nur "instrumentalisiert, um die Käfighaltung wieder durchzusetzen", beklagt die Agrarexpertin Ulrike Höfken gegenüber unserer Zeitung durchsichtige Wirtschaftsinteressen. Und ihre Parteivorsitzende Claudia Roth mahnt fast flehend: Jetzt sei nicht der Moment für eine Renaissance der ideologischen Auseinandersetzungen. Wohl gemerkt, es geht um 145 Millionen Hennen, von denen nach wie vor der größte Teil in Käfigen schmort. Solche konventionellen "Behausungen" sind gerade mal 500 Quadratzentimeter groß und nur 45 Zentimeter hoch. Das entspricht einer Fläche kleiner als ein DIN-A4-Blatt. Sie sind ab 2007 verboten. Käfige mit einer Grundfläche von 750 Quadratzentimetern, die mit Sitzstangen ausgestaltet sind, sollen nur noch bis Ende 2011 zulässig sein, obwohl die EU dies nicht verlangt. Danach müssen hier zu Lande Käfige schon eine Höhe von mindestens zwei Metern haben, um genehmigt zu werden. Seit Langem ist diese Vorgabe den meisten Bundesländern ein Dorn im Auge. Mit der Seuche als Druckmittel wollen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern die Künast-Verordnung jetzt endlich aufweichen. Im April kommt das Thema in den Bundesrat. Vorher nicht, weil Länder wie Baden-Württemberg mit Blick auf die Landtagswahlen am 26. März Angst vor einer neuen heftigen Tierschutzdebatte haben. Die ist aber schon entbrannt: Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, spricht vom "Hühnerverrat". Die Vogelgrippe werde dazu genutzt, um Hennen dauerhaft in einen "Qualkäfig zu pferchen und die Freilandhaltung zu diskreditieren". Obwohl eine Infektion auch dann nicht "zu 100 Prozent ausgeschlossen werden kann".

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