Schmidt schleudert

BERLIN. (vet) Für Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ist der Untersuchungsausschuss "Wahlbetrug" noch nicht erledigt. Union und FDP schenkten ihren Angaben am Donnerstag keinen vollen Glauben, wonach sie erst nach der Bundestagswahl 2002 vom Ausmaß des Defizits der gesetzlichen Krankenkassen erfuhr.

Um den Untersuchungsausschuss zur Erkundung der rot-grünenWahrheitsliebe ist es relative ruhig geworden. Doch das dürftesich spätestens im Juni ändern, wenn der Bundeskanzler als Zeugegeladen ist. Gestern war erst einmal die Gesundheitsministerin ander Reihe. Und wie schon bei der Vernehmung ihresKabinettskollegen Hans Eichel im Februar stand das Urteil für dieBundestags-Opposition bereits vorher fest: Schmidt habe sicheiner Verletzung der "Informations- und Handlungspflichten"schuldig gemacht, weil ihr die Finanzkatastrophe bei den Kassenschon vor dem Wahldatum des 22. September klar gewesen seinmusste. Tatsächlich fuhr die gesetzliche Krankenversicherung imVorjahr ein Defizit von fast drei Milliarden Euro ein. Deshalbstieg der durchschnittliche Beitragssatz Anfang 2003 von 14 auf14,3 Prozent. Allein, die Ministerin gab sich völlig unschuldig: "Das Finanzergebnis von 2002 war vor der Bundestagswahl von niemandem vorhersehbar". Auch nannte es Schmidt "unverantwortlich", die roten Zahlen vom ersten Halbjahr (minus 2,4 Milliarden Euro) einfach hoch zu rechnen, weil sich die Einnahmesituation erfahrungsgemäß zum Jahresende verbessert. Durch die allgemeine wirtschaftliche Talfahrt lösten sich solche Erfahrungen freilich in Luft auf.

Ulla Schmidt wusste die Vorhaltungen der Opposition anfangs locker zu kontern. Doch die Rheinländerin geriet in hörbare Erklärungsnot, als die Sprache auf ihr am 1.Oktober angekündigtes Vorschaltgesetz zur Stabilisierung der Kassenbeiträge kam. Nach Darstellung Schmidts waren "erste Trends" der Kassen über eine ungünstige Finanzentwicklung für die Notmaßnahme verantwortlich. Als Schmidt dann noch einräumte, dass die Kassenmeldungen in der Zeit vom 23. bis 30. September, also unmittelbar nach der Bundestagswahl, eintrudelten, wurden Union und FDP endgültig hellhörig. Warum bastelt Schmidt wegen einiger "Trends" ein Notgesetz, wo sie zuvor deutliche Warnungen in den Wind geschlagen hatte? "Das muss ein spektakulärer Erkenntnisgewinn gewesen sein", spottete der Unions-Politiker, Jürgen Gehb.

Ulla Schmidt wusste drauf keine schlüssige Erklärung. Deshalb will die Opposition nun weitere Akten anfordern und Ministerialbeamte zur Vernehmung laden. CDU-Obmann Peter Altmaier zeigte sich hoch zufrieden: "Die Ministerin hat sich in Widersprüche verstrickt und Erinnerungslücken vorgeschoben. Sie ist eine Belastung für die Republik".

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