Schnelle Vorstöße und alte Reflexe

Normalerweise dienen die Januarklausuren der Parteien dazu, Arbeitsprogramme für das Jahr zu entwerfen. Diesmal ist die Haltbarkeit der Beschlüsse weit kürzer. Sie zielen auf die anstehenden Landtagswahlen.

Berlin. Beim Basketball ist ein Vorsprung manchmal schneller dahin, als man glaubt. Ein oder zwei Dreier, und schon ist eine Mannschaft wieder im Rückstand. Ähnlich muss sich die SPD fühlen. Sie hatte mit dem Mindestlohn thematisch bis vor kurzem klar vorn gelegen und wollte das bei ihrer Klausurtagung in Hannover ausbauen. Doch dank Roland Koch und dem Thema Jugendkriminalität hat die Union überraschend gleichgezogen und bereitet schon die nächsten Treffer vor: Steuergeschenke. CSU und CDU wollen den wachsenden Ärger der Menschen über die kalte Steuerprogression nutzen. Sie arbeiten an einer Einkommenssteuer-Reform, die zwar erst nach der Bundestagswahl 2009 gelten, den Wählern aber schon vorher den Mund wässrig machen soll. Normalerweise dienen die Januarklausuren der Parteien dazu, Arbeitsprogramme für das Jahr zu entwerfen. Diesmal ist die Haltbarkeit der Beschlüsse weit kürzer. Sie zielen auf den 27. Januar, wenn in Hessen und Niedersachsen gewählt wird, ein bisschen noch auf den Hamburger Urnengang am 24. Februar. Vor allem Hessen und Hamburg sind kippelig; die SPD riecht hier die Möglichkeit einer deutlichen Schwächung der CDU. Sowohl das von der CDU in Wiesbaden beschlossene Programm gegen Jugendgewalt, als auch die Hannoveraner Beschlüsse der SPD sind von dieser Auseinandersetzung geprägt. Als Begleitmusik gibt es massive Angriffe auf die jeweils andere Partei. Ein Ausländer, der jetzt die deutsche Presse liest, würde kaum darauf kommen, dass SPD und Union in diesem Land gemeinsam regieren.Parteien versuchen sich zu profilieren

Dabei zeigt sich, dass die SPD viel weniger flexibel ist als die Union. Ihr fehlen Sinnesorgane, um auf Vorgänge wie den Überfall auf einen Münchener Rentner schnell und angemessen zu reagieren. Stattdessen werden abwehrende Reflexe ausgelöst, wenn einer wie Roland Koch das Thema instrumentalisiert. Seit Otto Schily hat die SPD keinen Innenpolitiker mehr, der sensibel genug wäre, um Sicherheitsängste in der Bevölkerung aufzuspüren und gleichzeitig abwägend genug, um darauf nicht bloß populistisch zu reagieren. Ähnlich beim Thema Steuern. Hier antwortet Finanzminister Peer Steinbrück gebetsmühlenartig, dass zuerst die Staatsfinanzen saniert werden müssten. Eine Perspektive gerade für die arbeitenden Menschen der mittleren Schichten, die immer mehr Steuern zahlen, ist das nicht. Für den Bundestagswahlkampf 2009 ist damit programmiert, dass die Sozialdemokraten bei diesem Thema in die Defensive geraten werden. Denn ihre Forderung nach stärkeren Lohnerhöhungen ist wenig überzeugend. Das ist, so wissen die Wähler, Sache der Tarifparteien. Wenn die Elefanten kämpfen, suchen sich die kleinen Parteien ihre Nischen zu sichern. Guido Westerwelle geht gestärkt aus dem Dreikönigstreffen der FDP hervor. Er gibt seiner Partei das Wohlgefühl, als einzige dem gesellschaftlichen Linksruck zu widerstehen. Es ist das Wohlgefühl einer Oppositionspartei, die für den Moment ihre Rolle gefunden hat. Bei den Linken und den Grünen ist das ähnlich. Profilierung also allenthalben, das ist die Substanz der Januarklausuren. Den Wählern wird dabei einiges vorgegaukelt. Denn schon in den Ländern, in denen jetzt gewählt wird, erst recht 2009 im Bund, müssen hinterher mindestens zwei Parteien, wahrscheinlich sogar drei, miteinander arbeiten, wenn sie regieren wollen. Dann werden die Töne wieder leiser.

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