Schock nach dem Sturz ins schwarze Loch

US-Präsident George W. Bush hat den US-Kongress erneut ermahnt, den Rettungsplan für den angeschlagenen Finanzsektor zu bewilligen. Am Montag war überraschend das Maßnahmenpaket der Regierung für die Finanzwirtschaft im Repräsentantenhaus gescheitert.

Washington/New York. Es ist der Tag danach. Der Tag nach einem der schwärzesten Momente der US-Börsengeschichte. Es regieren Ungläubigkeit, Entsetzen und die Frage: Wie geht es weiter? Politikern, Börsianern und den zutiefst verunsicherten Bürgern sitzt der Schock über das gescheiterte Banken-Rettungspaket und über den höchsten Tagesverlust in der Geschichte der Wall Street tief in den Knochen. 1,2 Billionen Dollar sind in nur sechseinhalb Stunden Handelszeit vernichtet worden.

"Wir müssen alle durchatmen und wieder an die Arbeit gehen," sagt John Boehner, Chef der Republikaner im Repräsentantenhaus - jene Truppe, die erneut gegen den Präsidenten rebelliert hat und George W. Bush gestern bei einer weiteren Ansprache an die Nation wie ein Häufchen Elend wirken ließ. Doch erst einmal geht das Repräsentantenhaus zwei Tage geschlossen - für viele angesichts der Lage unfassbar - in Urlaub, das jüdische Neujahrsfest steht auf dem Parlamentskalender. Begleitet werden die Parlamentarier vom Kopfschütteln der Kommentatoren. "Angesichts einer gewaltigen ökonomischen Krise haben die politischen Führer des Landes kläglich versagt," klagte David Brooks in der "New York Times", "sie haben der Welt keinen Grund gegeben anzunehmen, dieses Land werde regiert."

In den Stunden nach dem "schwärzesten Tag seit dem Crash von 1987" (New York Times) dominierten angesichts des Scherbenhaufens gegenseitige Schuldzuweisungen. Die Demokraten, von denen 140 Abgeordnete für und 90 gegen das Hilfspaket gestimmt hatten, warfen der republikanischen Parteiführung vor, das Votum in den eigenen Reihen schlecht vorbereitet zu haben - was in 133 Nein-Stimmen der Republikaner resultierte. Doch dort schoss man zurück: Eine Rede der demokratischen Kammer-Präsidentin Nancy Pelosi sei vor der Abstimmung so parteilich gewesen, dass sie zahlreiche Konservative zum "Nein" veranlasst habe.

Konjunktur wird in eine Rezession abrutschen



Die meisten Abgeordneten, die sich gegen die zuvor sicher scheinende Verabschiedung stemmten, stecken in harten Kämpfen um ihre Wiederwahl. Die Stimmung in der Bevölkerung war zuletzt klar gegen die Versuche des Weißen Hauses, die Giganten der Wall Street mit öffentlichen Mitteln aus Notlagen zu befreien. Der republikanische Abgeordnete Tom Davis spricht von einem "schrecklichen Plan," räumt aber ein: "Ich habe keinen besseren gesehen." Auch Finanzminister Henry Paulson, der zu neuen Beratungen ins Weiße Haus geeilt war, macht aus seiner Abneigung keinen Hehl - sagt aber: "Uns bleibt keine Alternative."

In der Tat sind sich Experten einig: Soll weiterer Schaden für die Märkte vermieden werden, muss schnell gehandelt werden. Doch Konsequenzen sind absehbar. Die Konjunktur werde in eine Rezession abrutschen, prophezeit Bruce Kasman, Chef-Ökonom der Investmentbank J.P. Morgan, und verweist auf die zurückgehende Investitionsbereitschaft der verunsicherten Verbraucher sowie die Probleme von Firmen, neue Kredite zu bekommen.

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