Scholz oder Schulz - Streit in der SPD

Berlin/Hamburg · Holpriger Start in die Opposition - Jetzt meldet sich Hamburgs Erster Bürgermeister und kritisert den Parteichef.

Berlin/Hamburg Eine verpatzte erste Bundestagssitzung, Streit ums Personal und Debatten um den künftigen Kurs - bei der SPD läuft es in der neuen Rolle als größte Oppositionspartei noch nicht rund. Jetzt hat sich Parteivize Olaf Scholz mit einem Grundsatzpapier zu Wort gemeldet, das die Überschrift "Keine Ausflüchte!" trägt und eine "schonungslose Betrachtung der Lage" verlangt.

Der Hamburger Bürgermeister verbreitete seine Thesen per Twitter kurz vor einer Regionalkonferenz, die am heutigen Samstag im "Terminal Tango" am Hamburger Flughafen stattfindet. Scholz hatte ähnlich wie Andrea Nahles im letzten Jahr gegenüber dem damaligen Parteichef Sigmar Gabriel erklärt, dass seine Ambitionen sich auf die Bundestagswahl 2021 richten, nicht auf 2017. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich dafür in Stellung zu bringen.

Doch jetzt ist Martin Schulz Parteichef. Noch. Der gescheiterte Spitzenkandidat will mit acht "Dialogveranstaltungen" in den Regionen erst einmal den Unmut der Basis auffangen.
Die schnelle Entscheidung, sofort in die Opposition zu gehen, fand breite Zustimmung. Allerdings ärgern sich viele Genossen über haarsträubende Fehler, die seitdem gemacht wurden. Schulz, im Frühjahr mit 100 Prozent gewählt, ist angeschlagen.

Problem Personalpolitik. Hier mangelt es Schulz offenbar an Fingerspitzengefühl. Bei seinem Versuch, den Generalsekretär Hubertus Heil zum Fraktionsgeschäftsführer zu machen, übersah er die Ansprüche der Parteirechten. Die setzten gegen ihn Carsten Schneider durch. Heil, enttäuscht, wollte nun auch nicht mehr Generalsekretär bleiben. Bei der Berufung seines Nachfolgers Lars Klingbeil übersah Schulz, dass nun außer der neuen Fraktionschefin Nahles überhaupt keine Frauen mehr in Spitzenpositionen sind. Zumal er es zuließ, dass sich Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann den Job des Parlamentsvizepräsidenten gegen Amtsinhaberin Ulla Schmidt sicherte. Am schlimmsten aber war wohl Schulz' heimlicher Versuch, die ehemalige Juso-Vorsitzende Johanna Ueckermann (30) zur neuen Bundesgeschäftsführerin zu machen. Die sagte jedoch ab.
Als Amtsinhaberin Juliane Seifert von den Aktionen ihres Chefs erfuhr, kündigte sie praktisch fristlos. Zu allem Überfluss sagte Schulz auf einer Pressekonferenz dann noch als Begründung, er wolle die SPD "jünger und weiblicher " machen. Seifert ist 39 Jahre alt und bekanntlich eine Frau.

Problem Oppositionsrolle. Die erste Sitzung des Bundestages ging für die SPD ziemlich in die Hose. Der überharte Ton gegen die Regierung wirkte aufgesetzt, zumal man noch im Kabinett sitzt. Angela Merkel lächelte belustigt. Und der Geschäftsordnungsantrag, die Kanzlerin viermal im Jahr im Bundestag ins Kreuzverhör zu nehmen, war für diesen Anlass deplatziert. Bei den Abstimmungen schließlich verhedderten sich die Sozialdemokraten und stimmten einmal sogar als einzige mit der AfD. Die SPD könne es wohl nicht erwarten, in die Opposition zu kommen, sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer genüsslich. "Wir werden Sie dabei unterstützen."

Problem Linie. Scholz, der ein Mann der Mitte ist, hat mit seinem Papier auch die Auseinandersetzungen um die künftige Linie angesprochen. Schulz will die Partei offenbar weiter nach links ausrichten. Erst vor einer Woche sagte er: "Wir müssen wieder den Mut zur Kapitalismuskritik fassen." Bei den Parteilinken genießt der Vorsitzende damit großen Rückhalt. Scholz erinnert die Genossen nun daran, dass wirtschaftliches Wachstum "eine zentrale Voraussetzung ist, um eine fortschrittliche Agenda zu verfolgen". Die Debatte um den Kurs dürfte im Dezember Thema des Parteitages sein. Ebenso wie der Holperstart in die Opposition.

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