Schröder lässt grüßen

BERLIN. Auf der Suche nach mehr Profil hat SPD-Chef Kurt Beck nun ein Thema gefunden, mit dem er sich vom Koalitionspartner absetzen kann: die amerikanischen Pläne eines Raketenabwehrschirms in Osteuropa. Anders als die Union nimmt die SPD dazu ein klare Abwehrposition ein.

Es ist schwer, auf der Berliner Bühne als Hauptdarsteller wahrgenommen zu werden, wenn man in Mainz sitzt. Kurt Beck zeigt zwar Präsenz in der Hauptstadt, so oft er nur kann. Doch waren die letzten Auftritte des SPD-Chefs nicht immer von Erfolg geprägt. Sein Finanzierungsmodell für den Ausbau von Krippenplätzen stieß allenthalben auf Kritik. Becks Hinweis, dass die Kernenergie mehr CO2 ausstoße als ein Kohlekraftwerk, wurde von Fachleuten mit Kopfschütteln und von der Union mit Häme registriert. Und auf seine Aussage zum Tempolimit auf Autobahnen ("Dafür bin ich offen") reagierte der eigene Verkehrsminister, Wolfgang Tiefensee, lapidar mit dem Wort "Nebenkriegsschauplatz". Wem gehört der Aufschwung?

Wie unsicher Beck nach einem Jahr im Amt als SPD-Chef immer noch ist, zeigte sich auch darin, dass er mit der Union gestern einen Streit darüber anfing, wer denn für den Aufschwung verantwortlich sei. "Nur damit das mal klar ist: Der wirtschaftliche Aufschwung ist unser Aufschwung", sagte er der "Bild"-Zeitung. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla entgegnete: "Der Aufschwung trägt die Farben Schwarz-Rot-Gold". Jetzt aber glaubt der SPD-Vorsitzende ein Thema gefunden zu haben. Es ist jenes, mit dem schon Gerhard Schröder einen Wahlkampf bestritt: Die Frage von Krieg und Frieden. "Wir brauchen keine neuen Raketen in Europa", sagte der wahrscheinliche Merkel-Herausforderer zu den amerikanischen Plänen eines Raketenabwehrschirms und warnte vor einer neuen Rüstungsspirale. Mit dieser Aussage hat der SPD-Chef einen wunden Punkt der Koalition getroffen. Die Union sympathisiert eher mit den amerikanischen Plänen, aber nicht offen. Kanzlerin Angela Merkel hat sich bisher zur Sache weder positiv noch negativ geäußert. Vorerst heißt die offizielle Regierungslinie, dass man über das Thema mit der Nato und Russland reden müsse. "Die Chancen für eine einvernehmliche Lösung stehen gar nicht so schlecht", meinte Merkel nebulös. Sie muss nun möglicherweise stärker Farbe bekennen. Beck (Foto: dpa) bedient mit seinem Vorstoß zudem die Sehnsucht vieler Sozialdemokraten, sich wenigstens als Friedenspartei zu profilieren, wenn schon der soziale Ruf leidet. Bereits beim Afghanistan-Einsatz rumorte es heftig. 69 Sozialdemokraten stimmten gegen die Entsendung von Tornado-Jets, nicht nur vom linken Flügel. Bei der Raketenabwehr hat Beck nun die Marschrichtung vorgegeben, bei Afghanistan zögert er noch. In zwei Wochen will sich der Vorsitzende bei einem Besuch am Hindukusch selbst ein Bild von der Lage machen. Viele in der SPD drängen auf eine klare Perspektive für den deutschen Rückzug. In der Union wächst die Sorge, ihr könne der Koalitionspartner, der angesichts niedriger Umfragewerte von 32 Prozent offenbar intensiv auf Profilsuche ist, vorzeitig abhanden kommen. Das aber erklärt Beck für Unsinn. "Wir stehen dazu, diese Koalition bis 2009 fortzusetzen." Becks Vorstoß hat vielmehr eine andere Zielrichtung: Entweder es gibt tatsächlich mit der Nato und Russland ein gemeinsames Abwehrsystem gegen iranische Raketen, dann stellt sich das Problem der Rüstungsspirale gar nicht. Oder es gibt, was wahrscheinlicher ist, eine solche einvernehmliche Lösung nicht. Dann haben die SPD und vor allem ihr künftiger Kanzlerkandidat Kurt Beck ein zugkräftiges Wahlkampfthema. Gerhard Schröder lässt grüßen.

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